Die wenigsten Romane lassen mich vollkommen kalt. Jedes Werk, in das ein Autor Herz und Zeit gesteckt hat, hinterlässt bei mir irgendeine Spur, verändert für eine gewisse Zeit meinen Alltag, hält Einzug in meine Gedanken und verlässt sie im besten Fall niemals wieder ganz.
Allegro Pastell war anders. Nicht nur, weil ich es in einer Welt gelesen habe, die klar nicht mehr jener entsprach, die ich seit über dreißig Jahren mein Zuhause nennen durfte, sondern auch, weil es mich immer wieder aufgewühlt hat und ich zu keinem Zeitpunkt wirklich sagen konnte, warum.
Und weil ich selbst jetzt – eine Woche, nachdem die letzte Seite gelesen, die letzten Worte verhallt sind – noch nicht sagen kann was es ist, das dieses Buch so anders macht, möchte ich anstatt einer Rezension ein paar Notizen teilen, die ich während des Lesens festgehalten habe.
02.10.2020
Verkopftes Sein. Kalt und leer.
Unsichtbar, trotz oder durch das anhaltende Kreisen der Gedanken.
07.10.20
Wie ich ein Buch wahrnehme, hängt von meiner Verfassung im Moment des Lesens ab. Gerade erzeugt Allegro Pastell eine heftige Schwermut in mir, fast Neid. Ich möchte raus. Möchte mich hinter den Tresen der schmierigsten, engsten Kneipe der Stadt setzen und gehalten von der Nähe zahlreicher Fremder ein frisch gezapftes Bier trinken. Ich frage mich, ob diese schwerelosen Momente jemals wiederkehren. Die Welt wieder sein wird, wie ich sie kannte. Oder ob der Roman in meiner Hand schon jetzt ein Stück Zeitgeschichte ist.
10.10.20
Perspektive und immer wieder Perspektive! Wie soll ich Tiefe sehen, wenn ich nicht weiß, dass mein Blick wandern kann?
11.10.2020
Wir leben und wissen nichts.
13.10.2020
Sind wir Millenials wirklich so eitel, so selbstbezogen? Brauchen wir wirklich ein Buch, das uns diese unliebsamen Eigenarten unter die Nase reibt oder sind es die anderen, die dieses Buch brauchen?
14.10.20
Es ist, als hätten die Protagonisten Fühlen durch Denken ersetzt und auf ihre Art das ewige Jetzt in ein flüchtiges Dann verschoben. Jedes Gefühl ist vorgedacht, mit Keywords versehen und einsortiert. Lebenslang im Knast der Hyper-Individualität. Wer braucht Big Brother, wenn das Ego die beste Kontrollinstanz ist. Ein Leben im ständigen Narrativ. Der arrogante Gedanke, alles bereits verstanden zu haben. Die eigenen Gefühle nicht mehr zu spüren, sondern abgeklärt vorherzusagen. Und trotzdem am Ende Verstand und Gefühl vereint im letzten Satz: Ich liebe dich!
Allegro Pastell hatte nichts was ich wollte und alles, was ich gerade gebraucht habe. Mit wenig Handlung und vielen Befindlichkeiten schildert Leif Randt nicht nur einen kurzen Abschnitt im Leben seiner beiden Protagonisten, sondern das schizophrene, selbst- und lifestyle-zentrierte Missverhältnis im Denken und Dasein einer ganzen Generation. Ein Roman zum Wachwerden oder Liegenbleiben. Zum Abschied nehmen oder ewig verweilen.