Ich durfte mit der wunderbaren Alina Gross über Kunst, Instagram, Zensur und Frausein sprechen. Alina ist Fotografin, experimentelle Künstlerin und beschäftigt sich in ihrer Arbeit insbesondere mit dem weiblichen Körper.
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Alina, warum ist Instagram ein so wichtiger Kanal für Dich als Künstlerin?
Aus ökonomischer Perspektive ist es relativ einfach. Je mehr Menschen meine Arbeiten sehen, umso mehr interessieren sich auch dafür, meine Bilder zu kaufen. Neben potenziellen Käufer:innen, finden mich über die Plattform außerdem Redakteur:innen, die mit mir arbeiten möchten. Auf diesem Wege durfte ich schon zahlreiche Print Editorials für große und kleine Magazine machen.
Aus künstlerischer Perspektive finde ich es wunderbar, direktes Feedback für meine Bilder zu bekommen, Diskurse anzuregen und mit zu gestalten. Auf der Plattform kann ich mich mit der Community austauschen und komme ins Gespräch, das inspiriert mich immer wieder dazu weiterzumachen.
Welche Reaktionen erreichen Dich?
Menschen reagieren positiv wie negativ auf meine Bilder. Ich habe schon die wildesten Beschimpfungen bekommen und wurde für die selben Bilder auf das Höchste gelobt. Ich musste auch echte Shitstorms aushalten. Einer wurde ausgelöst durch die Frage, ob man Tiere im Rahmen künstlerischer Arbeiten nutzen dürfe. Ein anderer drehte sich um die Sichtbarkeit von Kindern auf meinen Bildern.
Ich beschäftige mich in meiner Arbeit mit Menschen und insbesondere mit der Beziehung zwischen Mutter und Kind. Für mich ist es das natürlichste der Welt, diese Szenen zu fotografieren und sie sind auf sehr viel positive Resonanz gestoßen. Gleichzeitig wurde ich als Rabenmutter bezeichnet und mir wurde vorgeworfen, ich würde meine Kinder instrumentalisieren. Feedback ist gut und wichtig, aber der Ton auf Social Media kann wirklich hart sein.
Du thematisierst in Deinen Arbeiten häufig den weiblichen Körper. Ebenfalls ein sehr kontroverses Thema auf Instagram.
Zum Thema Körper war das Feedback bisher vorwiegend positiv. Als Fotografin beschäftige ich mich von Natur aus mit Schönheitsidealen und Veränderung. Und als Frau ist der weibliche Körper für mich ein unglaublich faszinierendes Thema.
Ich erlebe meinen Körper gleichzeitig als nicht-perfekt und perfekt. Die weibliche Brust ist für mich nicht nur etwas Sexuelles. Nippel sind beispielsweise etwas sehr Praktisches. Durch sie haben wir die Möglichkeit, unsere Kinder zu stillen. Genau deswegen wähle ich in meinen Arbeiten gerade nicht die klischeehafte, sexualisierte Darstellung. Das gilt genauso für den Rest des weiblichen Körpers. Er soll nicht nur gut aussehen und anziehend sein, sondern als etwas von der Natur geschaffenes sichtbar werden – perfekt und imperfekt zugleich.
Abbildungen des nackten weiblichen Körpers werden auf Instagram häufig zensiert. Wie reagieren Deine Community und das Netzwerk auf Deine Körper-Darstellungen?
Wenn man provokantere Themen aufgreift, läuft man immer Gefahr, auf andere Meinungen zu stoßen. Das ist gut. So entsteht Diskussion.
Natürlich wurden einige meiner Bilder bereits gemeldet. Manche Menschen verbinden Abbildungen von nackter Haut direkt mit Sexualität und sind blind für die eigentlichen Themen, die sich hinter ihnen verbergen. Vor ein paar Jahren wurde mein Account sogar gesperrt. Glücklicherweise habe ich ihn nach etwa einem Monat von Instagram zusammen mit einer Entschuldigung zurück bekommen.
Oft scheinen es aber auch Algorithmen zu sein, die innerhalb des Netzwerks Bilder analysieren und zensieren. Wenn ich die Meldung erhalte, dass ein Bild gegen die Guidelines von Instagram verstößt und Widerspruch einlege, wird es nach einer erneuten Kontrolle zu 90% wieder freigegeben. Automatisierte Systeme können die Doppeldeutigkeit meiner Fotografien häufig nicht nachvollziehen und stufen sie dadurch falsch ein.
Wie beeinflussen Instagram und das dort dominante Schönheitsideal Deine Arbeit?
Mich ziehen Profile an, die sich dem Schönheitsideal auf der Plattform entgegensetzen. Solche, die eine etwas liberalere, vielfältigere Ansicht vom Frausein vertreten wie @curatedbygirls, @girlgaze oder @feminist. Als ich meine Nische hier einmal gefunden hatte, entstanden schnell enge Verbindungen aus denen gemeinsame Ausstellungen und sogar europaweite Projekte hervorgegangen sind.
Das Schönste ist aber, dass man sich gegenseitig unterstützt. Hinter den Accounts stehen Menschen, die wirklich zueinander halten und sich gegenseitig Sichtbarkeit geben. Auch und vor allem in herausfordernden Zeiten. Vor Kurzem wurde mein Instagram Account mit 14.000 Followern gehackt und gelöscht. Für mich als selbstständige Fotografin, die über Instagram mit Partnern in Kontakt steht, war das ein absoluter Albtraum. In diesem Moment hat es mir sehr geholfen, ein starkes Netzwerk im Rücken zu haben, das direkt meinen neuen Account @alina.gross unterstützt hat, mit dem ich seitdem arbeite. Das hat mich wirklich berührt.
Um aber noch einmal auf das Schönheitsideal zurückzukommen. Meine Fotografien haben viel damit zu tun, sich von Konventionen zu lösen und Frausein zu leben. Ich möchte, dass Frauen sich nicht schlecht fühlen und zeigen, dass es, gerade in den Bildwelten mit denen wir uns umgeben, an mehr Natürlichkeit bedarf. Ich habe selbst Kinder und glaube, dass wir eine gewisse Verantwortung haben, wenn wir Fotografieren und Veröffentlichen. Gerade meinen Töchtern versuche ich hier ein Vorbild zu sein. Ich hoffe, dass sie auf diese Weise beide Seiten kennenlernen werden.
Wie hast Du die Themen gefunden, die Deine Arbeiten ausmachen?
Für mich war es nie eine bewusste Entscheidung, Kunst zu machen. Die Kunst entsteht aus meinem Leben.
Ich fotografiere seit 24 Jahren, habe Fotografie und Formsprache studiert und unglaublich viel ausprobiert. In meinen früheren Arbeiten ging es eher um Rolle der Frau. Ich habe viel mit Selbstdarstellungen gearbeitet und mich von Frida Karlo inspirieren lassen, deren Werke durch ihre Geschichte oft auch etwas gynäkologisches hatten.
Die heute in meinen Fotografien vorherrschende, etwas abstraktere Bildsprache und die Reduzierung auf das Thema Körperlichkeit habe ich etwas später entwickelt. Mein Stil ist ganz intuitiv mit der Zeit entstanden, aus Momenten in meinem Leben. Ich habe gemerkt, dass es in meiner Kunst auch darum geht, Dinge zu verarbeiten und Themen hinter mir zu lassen, um nach vorne schauen zu können.
Als Frau interessiert mich der weibliche Körper etwas mehr als der männliche, weil ich seine Entwicklung und Veränderung mit eigenen Erlebnissen verbinde und selbst nachspüren kann. Schwangerschaft, Menstruation und Geburt sind Themen, die bei mir daher immer wieder vorkommen.
Das selbst erlebte ist mir dabei natürlich am nächsten. Ich liebe es beispielsweise, die Fruchtbarkeit und Sexualität der Frau durch das Symbol der Blume darzustellen. Entstanden ist diese Symbolik nach einer spontanen Geburt, die meinen Körper sehr verändert hat. Die Bildsprache hat mir dabei geholfen, die Schönheit in diesem Prozess und in mir wieder neu sehen zu können.
Vielen Dank für dieses inspirierende Gespräch, liebe Alina.
Wenn Ihr noch mehr Arbeiten von Alina sehen möchtet, folgt Ihr unbedingt auf Instagram oder besucht Ihre Website.
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I talked to the wonderful Alina Gross about art, Instagram, censorship and her love for being a woman. Alina is photographer and experimental artist. Her work is particularly concerned with the female body.
Alina, why is Instagram such an important channel for you as an artist?
From an economic perspective, it’s relatively simple. The more people see my work, the more are interested in buying my paintings. In addition to potential buyers, editors who want to work with me also find me through the platform. This way, I have been able to do numerous print editorials for large and small magazines.
From an artistic perspective, I find it wonderful to get direct feedback for my images. I love to stimulate discourse and to be able to shape it. On the platform, I can exchange ideas with my community and get into conversations that inspire me to keep going.
What reactions do you get?
People react positively and negatively to my pictures. I have received the wildest insults and was praised to the highest for the same images. I also had to endure real shitstorms. One was triggered by the question of whether it was permissible to use animals in the context of artistic work. Another was about the visibility of children in my pictures.
I deal with people in my work and especially with the relationship between mother and child. For me it is the most natural thing in the world to photograph these scenes and they have met with a lot of positive response. At the same time, I have been called a raven mother and accused of instrumentalizing my children. Feedback is good and important, but the tone on social media can be really harsh.
You often address the female body in your work. Also a very controversial topic on Instagram.
On the subject of the body, the feedback so far has been predominantly positive. As a photographer, I am naturally concerned with ideals of beauty and change. And as a woman, the female body is an incredibly fascinating topic for me.
I experience my body as both non-perfect and perfect at the same time. The female breast is not just something sexual for me. Nipples, for example, are something very practical. Through them we have the possibility to breastfeed our children. That’s exactly why I don’t choose the clichéd, sexualized representation in my work. This is just as true for the rest of the female body. It should not only look good and be attractive, but be visible as something created by nature – perfect and imperfect at the same time.
Images of the naked female body are often censored on Instagram. How do your community and the network react to your body depictions?
When you take up more provocative topics, you always run the risk of encountering different opinions. That’s good. That’s how discussion happens.
Of course, some of my images have already been reported. Some people associate images of naked skin directly with sexuality and are blind to the real issues behind them. A few years ago, my account was even blocked. Fortunately, I got it back from Instagram after about a month – along with an apology.
However, it often seems to be algorithms that analyze and censor images within the network. When I receive a notification that an image violates Instagram’s guidelines and file an objection, 90% of the time it is unblocked after a recheck. Automated systems often cannot understand the ambiguity of my photographs and thus classify them incorrectly.
How do Instagram and the dominant ideal of beauty within the network influence your work?
I’m drawn to profiles that oppose the ideal of beauty on the platform. Those that represent a more liberal, diverse view of womanhood like @curatedbygirls, @girlgaze or @feminist. Once I found my niche here, close connections quickly developed, resulting in joint exhibitions and even Europe-wide projects.
But the most beautiful thing is that people support each other. Behind the accounts, there are people who really stick together and give each other visibility. Also and especially in challenging times. Recently, my Instagram account with 14,000 followers was hacked and deleted. For me as a self-employed photographer who connects with partners through Instagram, this was an absolute nightmare. In that moment, it helped me a lot to have a strong network behind me that directly supported my new account @alina.gross, which I’ve been working with ever since. This has really touched me.
But to come back to the beauty ideal. My photographs have a lot to do with breaking away from conventions and living womanhood. I don’t want women to feel bad about themselves and I want to show that there is a need for more naturalness, especially in the images we surround ourselves with. I have children myself and believe that we have a certain responsibility when we photograph and publish. I try to be a role model for my daughters in particular. I hope that in this way they will get to know both sides.
How did you find the topics that dominate your work?
For me, making art was never a conscious decision. Art emerges from my life.
I have been taking photographs for 24 years, studied photography and formal language and tried out an incredible amount of things. My earlier work was more about the role of women. I created a lot with self-portraits and was inspired by Frida Karlo, whose pieces often had something gynaecological through their history.
The somewhat more abstract pictorial language that predominates in my photographs today and the reduction to the theme of physicality is something I developed a little later. My style developed intuitively over time, from moments in my life. I realised that my art is also about processing things and leaving issues behind me in order to be able to look forward.
As a woman, the female body interests me a little more than the male, because I connect its development and change with my own experiences as I can trace them myself. Pregnancy, menstruation and birth are topics that come up again and again for me.
Of course, what I experience myself is closest to my heart. For example, I love to represent the fertility and sexuality of women through the symbol of the flower. This symbolism came about after a spontaneous birth that changed my body a lot. The imagery helped me to see the beauty in this process and in myself anew.
Thank you very much for this inspiring conversation, dear Alina.
If you want to see more of Alina’s work, be sure to follow her on Instagram or visit her website.
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