Keine Frage, ich bin spät dran. Und nicht nur das.
Wäre mir vor wenigen Wochen nicht zufällig ein Artikel über Lynette Yiadom-Boakye in die Hände gefallen, wüsste ich bis heute nichts von dieser inspirierenden Frau. Die Londoner Künstlerin widmet sich in ihrer Arbeit der traditionellen Porträtmalerei. Ihre Werke zeigen rein fiktionale Charaktere, die sich im Kontext zeitenthobener Innenräume und malerischer Naturkulissen bewegen.
Was mich besonders fasziniert: Neben ihrer Arbeit als Malerin verfasst Yiadom-Boakye Prosa und Lyrik. Eine Kombination aus Talenten, deren Manifestation ich in poetischen Werktiteln und außergewöhnlichen Bild-Text-Kombinationen vermute. Wie der Zufall will, sind einige ihrer Werke gerade im Düsseldorfer K20 ausgestellt. Ich mache mich auf den Weg, um selbst zu entdecken.
“The things I can’t paint I write, and the things I can’t write I paint.”
Als ich das Museum betrete, sind bereits die letzten Tage der Ausstellung angebrochen. Wie gesagt, ich bin spät dran. Große, schwarze Letter zieren die weiße Wand des Eingangsbereichs – Fliegen im Verbund mit der Nacht – was ein Titel. Begleitend finde ich eine Playlist mit Jazz-Stücken und eine Reihe von Romanen, Essays und Dramen – eigens ausgewählt von der Künstlerin – die mich noch tiefer in die Stimmung ihrer Bilder versetzen sollen. Ich liebe es.
Über die Porträtmalerei bedient sich Lynette Yiadom-Boakye einer traditionellen Kunstform, die sie dabei unterstützt ein immer währendes Jetzt in ihren Werken zu erschaffen. Inspiriert von Fotografie, Erinnerung, Jazz und Literatur erzählt sie mit dem Pinsel Geschichten. Obwohl vollkommen der Lebenswirklichkeit enthoben, strotzen ihre Figuren vor Vitalität, ihre Szenerien vor atmosphärischer Tiefe. Ich sehe private Räume, intime Momente bedachten Alleinseins. Und je länger ich sie betrachte, desto mehr offenbaren sich mit die inneren und äußeren Dialog, die sie eingehen.
„I think what I am talking about transcends time. It’s everlasting.“
Ich verlasse das K20 mit dem Gefühl, als würde ich einen geliebten Roman schließen. Aus Gewohnheit setze ich meine Kopfhörer auf, doch kein Ton dringt zu mir durch. Allein mit meinen Gedanken streife ich noch eine Zeit lang durch die Stadt. Laut Yiadom-Boakye verlieren sich ihre Figuren nicht in großen Themen des Weltgeschehens. Stattdessen widmen sie sich den Elementen ihrer Wirklichkeit, die ihnen Leben schenken. Punkt.
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