Gedanken zu „The Joneses“ von Derrick Borte.
Der 2009 erschienene Film spielt in einer amerikanischen Vorstadtkulisse, deren klischeehafte Langeweile durch den Zuzug einer neuen Familie aufgemischt wird. Unübersehbar attraktiv und geschmückt mit den neusten und teuersten Besitztümer, ziehen die vier Joneses (gespielt von David Duchovny, Demi Moore, Amber Heard und Ben Hollingsworth) schnell die Aufmerksamkeit der gut situierten Nachbarschaft auf sich und werden Teil ihrer kleinbürgerlichen Routinen.
Hinter verschlossenen Türen offenbart sich dem Zuschauer das Doppelleben der vier Quasi-Influencer. In Wirklichkeit beauftragt von einer Marketing-Firma, sollen sie kostspielige Produkte unter den Nasen ihrer neuen „Freunde“ platzieren. Wie die Lemminge folgen diese natürlich allen Empfehlungen der attraktiven Neuankömmlinge und mit der sinkenden Moral der verdeckten Verkäufer:innen steigt ihr Status in Unternehmen und Nachbarschaft.
Wo die Joneses falsche Tatsachen vortäuschen, spielt eine ihrer Nachbarinnen mit offenen Karten. Als selbstständige Vertrieblerin wirbt sie für Pflegeprodukte auf privaten Parties und opfert Telefonbuch und Privatleben dem Netzwerkmarketing-Ziel eines Kosmetikunternehmens. Trotz der offenen Herangehensweise zeigen auch ihre Bemühungen Erfolge, allerdings nicht genug, um die Kaufgewohnheiten ihres Mannes aufzuwiegen.
Beide Ansätze finden sich auch über zehn Jahre später noch im Werkzeugkasten des Marketing. Doch durch das Aufkommen der Sozialen Netzwerke werden sie heute auf die Spitze getrieben. Wo die Joneses in die Wohnungen und Köpfe der Menschen eindringen, sind heute Smartphones und Influencer. Ob Gamer, Fashionistas, junge Mütter oder backende Omis, für jede Zielgruppe und jeden Lebensentwurf existieren zahlreiche Identifikationsfiguren, die immer genau die richtigen Produkte haben, um ihr Leben zu bereichern. Und wer kein Interesse an den Big-Playern der Branche hat, den erreichen sogenannte Mikroinfluencer in intim kleiner Runde.
„If one only wished to be happy, this could be easily accomplished; but we wish to be happier than other people, and this is always difficult, for we believe others to be happier than they are.“ – Montesquieu
Fest verankert durch die viel zu großen Einfamilienhäuser scheint das Leben der Nachbarschaft im Film eintönig und voller Langeweile. Umgeben von Gleichgesinnten und in bewusst gewählter Abkehr von Mitgliedern anderer Milieus und Lebensentwürfe ordnen sich die Vorstädtler ganz von allein zur idealen Zielgruppe an. Denn ist die Milieuzugehörigkeit bekannt, erfährt man als Marketer viel über die Sehnsüchte, Interpretationen, Motive und Nutzenerwartungen der Menschen.
Schon Platon wusste, dass das Empfinden von Anziehung, das Verlangen nach etwas oder jemandem, nicht selten der Ausdruck einer deutlich tiefer liegenden Sehnsucht ist. Ist diese Sehnsucht bekannt, ist es ein Leichtes, Begehrlichkeiten zu wecken.
An dieser Stelle wäre es leicht, die Schuld bei den geheimen Verführern zu suchen, doch ist es nicht gerade in der heutigen Zeit gleichsam der Konsument, der hier in die Verantwortung gehen müsste? Denn ob es der geschickte Überredungskünstler im Handel, im Bewerbungsgespräch oder Abends an der Bar ist – sind wir uns unserer Schwachstellen nicht bewusst, müssen wir leider damit rechnen, dass sie irgendwann ausgenutzt werden. Denn als Konsument ungeschützt der Welt gegenüberzutreten ist ähnlich leichtsinnig, wie ohne Firewall ins Internet zu gehen.
Was in meinen Augen durchaus kritikwürdig ist und auch im Film gut herausgearbeitet wird, ist die Frage nach den angemessenen Werkzeugen, die wir im Marketing nutzen. Wie tief dürfen wir als Werbende mit dem Vertrauen und der Psyche der (potenziellen) Konsumenten spielen? Welche langfristigen Konsequenzen hat unser Bund mit Plattformen wie Facebook, Google und Amazon? Was denkt ihr?