New Norm Gründerinnen Paderborn

Creating New Norms

Ein warmer Nachmittag im Juli, eine Picknickdecke voller Snacks und Drinks und eine leichte Brise, die kühle Luft vom Fluss durch den Park trägt – könnte es eine schönere Kulisse geben, um mit zwei spannenden Menschen über eines ihrer Herzensprojekte zu sprechen?

Ich treffe Lea Hansjürgen und Johanna Leifeld im grünen Zentrum ihrer Heimatstadt Paderborn. Geboren in Ostwestfalen sind die beiden Freundinnen in der ganzen Welt unterwegs. Von ihren Reisen tragen sie regelmäßig neue Impulse mit in die Stadt. Ein ganz besonderes Erlebnis hat Lea und Johanna nun zu einem Projekt inspiriert, das sie Anfang 2024 gemeinsam ins Leben gerufen haben.

Mit ‚New Norm‚ sagen Lea und Johanna bestehenden Körperidealen den Kampf an und sind damit bereits jetzt über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Ich habe mit den beiden darüber gesprochen, wie New Norm entstanden ist, wie sie den gesellschaftlichen Blick auf (weibliche) Körper verändern möchten und wie weit die beiden ihre Botschaft in den nächsten Jahren noch tragen möchten.

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Was ist New Norm?

Lea: New Norm ist ein Projekt, das Kunst und Weiblichkeit zusammenbringt, die Vielfalt weiblicher Körper feiert und dazu einlädt, bestehende Körperideale in Frage zu stellen. Es umfasst aktuell fünf Aktzeichen-Sessions für Frauen, die in verschiedenen Locations im Raum Paderborn stattfinden. Das Besondere: nicht nur das Modell ist eingeladen, seine Hüllen fallen zu lassen, sondern alle Teilnehmerinnen – und damit meinen wir nicht nur ihre Kleidung und Schuhe, sondern auch ihre Ängste und Vorstellungen über Körperideale.

Wie läuft eine typische Session ab?

Johanna: In den ‚New Norm’-Sessions verbringen wir etwa drei Stunden miteinander. Wir haben dazu einen gemütlichen Raum angemietet, den wir üblicherweise in zwei Bereiche unterteilen. Im Ersten nehmen wir die Teilnehmerinnen in angenehmer Wohnzimmer-Atmosphäre in Empfang. Wir kommen zusammen, lernen uns kennen und erklären unsere Idee von New Norm. Außerdem stellen wir klar, dass jede während des Kurses machen kann und soll, was sie möchte. Wir laden die Teilnehmerinnen ein sich auszuziehen und das Nacktsein zu erfahren. Gleichzeitig ist aber ganz klar, dass jede selbst entscheidet, wie weit sie sich auszieht und womit sie sich wohlfühlt. Manche Frauen sind komplett nackt, manche tragen lieber Unterwäsche oder einen Kimono.

Im Anschluss an das Intro gehen wir in den zweiten Bereich, wo unsere Zeichenlehrerin, Rebekka Schulte, und das Aktmodell auf uns warten. Wir entkleiden uns, richten uns ein und dann beginnt Rebekka, unser Auge zu leiten. Ich glaube hierin liegt – neben der Nacktheit der Teilnehmerinnen – ein deutlicher Unterschied zu typischen Aktzeichen-Kursen. Zwar lernen wir auch etwas über das Zeichnen, aber in unseren Sessions geht es vornehmlich um das Wahrnehmen, das erlaubte, wertfreie Schauen.

Im letzten Teil haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, sich selbst als Modell auszuprobieren und sich zeichnen zu lassen. Zum Schluss lassen wir die Session Revue passieren und sehen uns gemeinsam die entstandenen Bilder an. Je nachdem, ob man in die Rolle des Modells geschlüpft ist, erkennt man sich auf den Bildern der anderen wieder und sieht gleichzeitig die Zeichnungen, die man selbst erstellt hat. In einer der Sessions wurde ich sogar gezeichnet, obwohl ich gar nicht vorne war. Das war ganz besonders.

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© Lina Loos

Wie ist das Projekt zustande gekommen?

Lea: 2020 habe ich für eine Weile in Australien gelebt. Als ich dort die Burlesque-Tänzerin, Künstlerin und Pädagogin Rosie Rivette kennenlernte, entwickelte sich in mir nach und nach der Wunsch selbst einmal Modell zu stehen. Rosie vermittelte mich dann als Akt-Modell – allerdings in einem ‚normalen‘ Set Up, in dem die Zeichnenden angezogen waren. Ich habe es als sehr besonders empfunden, dass mein Körper Vorbild für Kunst sein durfte.

Rosie veranstaltete damals gemeinsam mit einer anderen Künstlerin ebenfalls eigene Aktzeichen-Sessions, die Magnolia Art Class. Ihre Veranstaltungen waren allerdings ausschließlich für Frauen, die eingeladen waren, währenddessen selbst nackt zu sein. Zurück in Paderborn habe ich Johanna von Rosies Projekt erzählt. Die Idee, etwas ähnliches aufzusetzen, hat relativ lange in uns gearbeitet und Ende 2023 – drei Jahre später – bewarben wir uns damit bei einer Ausschreibung im Rahmen von Demokratieförderung. Kurz darauf haben wir die Bewilligung bekommen und konnten loslegen.

Warum musste genau dieses Projekt in Deutschland und insbesondere in Paderborn stattfinden ?

Johanna: Ich kann schwer sagen, ob Lea und ich die gleiche Motivation haben, mit der wir dieses Projekt umsetzen. Für mich war die Auseinandersetzung mit meinem Körper immer ein Thema – meistens leider ein eher negatives. Ich habe nie in die gängige Körpernorm hineingepasst an denen ich als Frau von der Gesellschaft gemessen werde und an denen ich mich leider auch selber messe.

Durch die Sessions lerne ich gerade, meinen Körper mit anderen Augen zu sehen. Dort begegnen sich 15 Frauen. 15 unterschiedliche Körper irgendwo zwischen Mitte Zwanzig und Ende Fünfzig. 15 Augenpaare, die sich im Raum bewegen und deren Blicke auch auf meinen Körper treffen. Eigentlich eines der schlimmsten Szenarien, die ich mir vorstellen kann. Aber in unseren Sessions war es zu keinem Zeitpunkt ein Problem für mich.

Wir sind es gewohnt, medial nur einen sehr engen Bereich innerhalb des breiten Spektrums weiblicher Körperformen präsentiert zu bekommen – und in diesem Bereich bewegen sich die Wenigsten von uns. In unseren Sessions üben wir uns gemeinsam darin, dieses Spektrum wahrzunehmen, unsere Körper wertfrei wahrzunehmen und so bestehende Körperideale abzulegen. Und das war von Anfang an das, was ich mit ‚New Norm‘ erschaffen wollte.

Lea: Ich glaube meine Motivation ist neben dem feministischen Akt, die Herausforderung des Etablierten. Ich möchte Menschen dazu bewegen, bestehende Muster zu hinterfragen und Gewohnheiten zu überdenken. Außerdem finde ich es wichtig, Dinge hier in Paderborn umzusetzen, die man vielleicht eher in Großstädten wie Berlin erwarten würde. Es gibt so viele spannende Menschen hier in der Region – ‚New Norm’ ist ein Weg, über den sie auf unkonventionelle Weise zusammenfinden, um gemeinsam Körper und Vielfalt zu feiern.

Was ist Eure Rolle in der Veranstaltung?

Johanna: Lea und ich haben beide das Talent, Orte zu erschaffen, in denen Menschen sich so wohl fühlen, dass sie bereit sind, sich zu öffnen. Die passende Atmosphäre zu schaffen, damit dies möglich wird und diese Räume zu halten sind deshalb in meinen Augen neben der Organisation unsere wichtigsten Aufgaben.

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© Lina Loos

Du hattest gerade schon erwähnt, dass ihr in den Sessions lernt und praktiziert wertfrei zu schauen und so Körperideale zu verwerfen. Das ist wahrscheinlich keine besonders leichte Aufgabe. Was gebt ihr den Teilnehmerinnen dafür mit? Wie hilft ihnen Rebekka als Zeichenlehrerin, diesen neutralen Blick zu etablieren?

Johanna: Andere wertfrei zu betrachten fällt uns Frauen meistens gar nicht so schwer. Der wertfreie Blick auf uns selbst ist in meiner Erfahrung die wahre Herausforderung. Dadurch, dass wir in den Sessions diesen wertfreien Blick bewusst üben und Rebekka uns hier wunderbar hilft, merke ich, wie auch der Blick auf mich selbst langsam weicher wird. Sie lehrt uns beispielsweise, wie viel spannender es aus künstlerischer Perspektive ist, ausladende oder ungewöhnliche Formen zu zeichnen als gleichförmige und ebenmäßige Linien. Indem sie unseren Blick leitet und beispielsweise sagt „Guckt mal wie dieser Bereich des Körpers aussieht, wenn sie sitzt, steht, liegt oder hüpft.“ schauen wir mit konkretem Auftrag. Mir hilft das sehr dabei, klarer zu sehen.

Lea: Manchmal sagt sie Dinge wie: „Guckt Euch mal an, wie spannend die Hautfalte im aktuellen Licht wirkt.“ Beim ersten Mal hat mich diese Formulierung überrascht. Ich musste mich daran erinnern, dass es darum geht zu sehen und wahrzunehmen und ihre Aussage keinerlei Wertung enthielt, sondern echte Begeisterung.

Johanna: Genau. Als Künstlerin hat sie einen ganz anderen Blick als wir. Für jemanden der zeichnet ist es egal, ob ein Bauch rund ist, flach oder hängend. Es geht darum, was ich gerade wahrnehme und wie ich es auf das Papier bekomme. Deswegen achtet sie auf Details, die man selbst am liebsten nicht an sich sehen würde, weil sie gesellschaftlichen Körperidealen vielleicht nicht entsprechen. So wird das, was sonst als Makel gilt, zur Besonderheit und unsere Sehgewohnheiten und Bewertungen verändern sich.

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Wie fühlt es sich für Euch an gemalt und betrachtet zu werden?

Lea: Das erste Mal in Australien hatte ich schon etwas Angst. Mit Nacktheit habe ich zwar kein großes Thema, aber der Gedanke stilvoll posieren zu müssen, um eine ästhetische Vorlage zu sein, war für mich eine emotionale Herausforderung. Doch die Atmosphäre dort hat mich entspannt. Das lag besonders am humorvollen Initiator, dem kreativen Ort, der entspannten Musik und den lockeren Menschen. Als ich dann auch noch Hilfestellungen von erfahrenen Künstlerinnen bekam, konnte ich den Moment wirklich genießen. Ich merkte, wie Menschen mich anschauten, hörte neben der leisen Soul Musik das Skribbeln auf den Papierbögen und lachte sogar zwischendurch gemeinsam mit der Gruppe – das hat mich innerlich und äußerlich total gelockert. In diesem Kunst-Setting war ich richtig im Flow.

Johanna: Ich habe in einer unserer Sessions für kurze Zeit Modell gesessen und fand es zu Beginn gar nicht so angenehm. Für den Start habe ich eine sitzende Pose mit hochgezogenem Knie eingenommen, sodass ich mich noch irgendwie an mir selbst festhalten konnte. Als dann nach uns nach Stille eintrat und die Teilnehmerinnen konzentriert arbeiteten hat sich dieses Gefühl verändert. Ich sah manche schauen, andere zeichnen und konnte all das einfach beobachten – da keine mit mir interagierte war es ein bisschen, als würde man selbst verschwinden und dadurch habe ich mich und die Situation automatisch weniger ernst genommen. Das Hadern mit dem eigenen Körper, den gesellschaftlichen Idealen und diesem: „Ich bin zu groß, ich bin zu dick, meine Füße, meine Waden, … .“ – all das ist ja auch eine ständige Beschäftigung mit sich selbst. In dem Moment, in dem sich diese Fokussierung auflöst, ist einfach Frieden.

Das ist so spannend. Manchmal denke ich, dieses Empfinden kommt daher, dass wir Körper und Geist nicht als Eins wahrnehmen. Wir objektivieren unseren Körper und drängen ihn dadurch in gewisser Weise von uns weg. In der Vorbereitung habe ich über den Ausdruck „eine Beziehung zum eigenen Körper aufbauen“ nachgedacht. Beziehungen baut man eigentlich zu etwas auf, das auf Abstand zu einem steht. Körper ist unser ganz eigenes Sein und trotzdem sprechen wir über ihn als würde er nicht zu uns gehören. Ich finde das so spannend.

Ich habe ein Zitat von Margaret Atwood gefunden, dass mir im Kontext Eures Projekts spannend erschien. Sie schreibt „You are a woman with a man inside watching a woman. You are your own voyeur.“ Wie sind Eure Gedanken dazu?

Johanna: Für mich steckt darin ihre Beobachtung, dass der male gaze tief in uns Frauen verankert ist. Und das würde ich für die heutige Zeit ohne Zweifel unterschreiben. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen: Frauen finden erst seit kurzem wirklich gesellschaftlich statt. Wer hat die meisten Bücher geschrieben, die wir lesen? Wer hat den Großteil der Filme gedreht, die wir schauen? Wer hat in der Regel die Fotos gemacht, die wir im Museum betrachten? Bisher waren es vor allem Männer, die unsere Welt abgebildet haben. Die aus dieser Historie entstandenen Sehgewohnheiten und Körperideale sind einer der Gründe, warum der male gaze – nicht nur auf die Frau, sondern auf die Welt – noch immer als wahr und richtig angesehen wird. Wir als Frauen haben da einiges aufzuholen. Und das dauert einfach.

Lea: Absolut. Außerdem haben Frauen und Männer auf unterschiedlichen Wegen gelernt Anerkennung zu erfahren. Wir Frauen haben Schönheit als Wert und Ideal tief internalisiert und dieses Ideal wird bis heute durch die Medien bestärkt. Immerhin lebt eine ganze Industrie davon, uns auf unsere Mängel aufmerksam zu machen und sie durch teure Beauty-Produkte ausgleichen zu wollen. Der male gaze fördert außerdem die Konkurrenz und den Vergleich zwischen Frauen. Ich erwische mich selbst dabei, wie ich mich mit anderen Frauen vergleiche und kann es leider nicht immer abstellen.

Was waren für Euch bisher die schönsten Erfahrungen und Erkenntnisse, die dem Projekt entsprungen sind?

Johanna: Schon nach unserer ersten Session habe ich mich gefragt, ob es überhaupt nochmal so toll werden kann. Persönlich ist für mich die bisher schönste Erfahrung die Auseinandersetzung mit meinem eigenen Schamempfinden. Wenn man aus dem Selbstgespräch ausbricht und über Themen, die einen beschäftigen in den Austausch mit anderen geht, verschwinden nicht direkt alle Probleme. Aber das Gefühl der eigenen Fehlerhaftigkeit nimmt ab. Scham ist so eine starke Emotion, wir halten sie meist versteckt und machen sie mir uns selbst aus. Durch ‚New Norm‘ habe ich keine Chance mehr dazu. Immer, wenn wir neue Fördergelder beantragen, stehe ich vor irgendwelchen Beiräten und muss darüber sprechen, warum genau dieses Projekt wichtig ist. Allein dadurch ist mein Schamempfinden viel kleiner geworden. Und wenn es den anderen nur ein bisschen so geht, haben wir viel erreicht.

Lea: Für mich war es die Erkenntnis, dass ‚New Norm‘ nicht nur die einzelnen Sessions sind, sondern auch alles darüber hinaus. Dieses besondere Projekt mit einer Freundin umsetzen und erleben zu dürfen war und ist meine schönste Erfahrung. Während der Events liebe ich es außerdem, wie viel gemeinsam gelacht wird und wie viel Begeisterung die Teilnehmerinnen im Austausch miteinander zeigen.

Welches Teilnehmerinnen-Feedback ist Euch besonders in Erinnerung geblieben?

Johanna: Ich habe von mehreren Teilnehmerinnen gehört, dass sie sich auch Wochen nach den Sessions noch mit anderen über das Erlebnis ausgetauscht haben und daraus zahlreiche spannende Gespräche entstanden sind. Zu hören, dass eine Frau sich beispielsweise im Anschluss an unser Event mit ihrer Tochter über die Erfahrung ausgetauscht hat und daraus eine abendfüllende Unterhaltung über Körper und Körperideale entstanden ist, bringt mich richtig zum Strahlen. Das ist genau das, was wir wollen, denn es geht uns ja nicht nur um das einmalige Erlebnis, sondern um das gesellschaftliche Thema, das dahinter steht und weitergetragen werden soll.

Lea: Wir fangen vor und nach jeder Sessions O-Töne der Teilnehmerinnen ein und fragen sie, wie sie sich fühlen. Vorher beschreiben sich die meisten als nervös und gespannt. Danach sind sie üblicherweise erleichtert und beflügelt. Eine Teilnehmerin sagte, dass sie sich plötzlich so „angezogen“ fühle, weil sie das Nacktsein natürlich empfunden hat. Das hat mich sehr berührt.

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© Lina Loos
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© Lina Loos

Ihr habt erwähnt, dass wir uns gerade bezogen auf Körperideale üblicherweise mit Menschen vergleichen, die medial stattfinden. Ihr seid beide Mitte Dreißig. Habt Ihr das Gefühl, dass sich Körperideale heute im Vergleich zu Eurer Jugend verändert haben?

Lea: Wenn ich an meine Jugend denke, dann denke ich an Avril Lavigne, Hüfthosen und Kate Moss. Das waren typische weibliche Körperbilder, die wir in den 90ern und Anfang der 2000er gelernt haben. Heute habe ich das Gefühl, dass mehr Kurven erlaubt sind. Doch Idealbilder gibt es weiterhin und auch kurvige Körper können unerreichbare Körperideale repräsentieren – denkt man beispielsweise an Kim Kardashian.

Johanna: Auf mich wirkt es, als seien die heute medial sichtbaren weiblichen Körperbilder zumindest vielfältiger als Anfang der 2000er. Auch auf der Straße sehe ich ganz unterschiedlich aussehende junge Frauen und mir scheint, dass diese Diversität auch medial an vielen Stellen gefeiert wird. Vielleicht haben Soziale Medien hier auch einen gewissen positiven Einfluss, weil sich dort jede darstellen kann, wie sie möchte und nicht nur diejenigen sichtbar werden, die von Magazinen wie der BRAVO fotografiert werden. Gleichzeitig muss hier noch viel passieren, wir sind noch lange nicht da, wo wir sein müssen.

Würdet Ihr sagen, dass ‚New Norm‘ neben dem Thema Körperideale auch das Thema Sichtbarkeit verhandelt?

Lea: Wir hoffen, dass die Erfahrung von ‚New Norm‘ den Teilnehmerinnen eine Stimme gibt mit der sie sich trauen das Thema Körper und Körperbewusstsein öffentlich anzusprechen. Auf diese Weise schaffen wir nicht nur einen ganz privaten physischen Erfahrungsraum, sondern auch einen medialen Diskursraum. Und um auch jene Menschen mit in diesen Diskurs einzubeziehen, die nicht Teil unseres Erfahrungsraums sein möchten oder können, veranstalten wir Ende Oktober ein Festival in Paderborn. Über verschiedene Programmpunkte möchten wir nicht nur für andere Frauen, sondern auch Männer und andere gesellschaftliche Gruppen in die Unterhaltung einbeziehen und im größeren Rahmen die Unterschiedlichkeit und Schönheit von Körpern sichtbar machen.

New Norm Paderborn Drawing Session Lina Loos
© Lina Loos

Wie glaubt ihr kann jede*r im Alltag etwas verändern?

Lea: Ich glaube es hilft sehr, wenn wir uns offen und ganz bewusst mit dem Thema Vielfalt auseinandersetzen und uns immer wieder daran erinnern, dass es Normen gibt, die herausfordernd sind und uns blockieren können. Und das nicht nur als einzelne im Privaten, sondern auch und insbesondere in Gesprächen mit anderen. Die eigene Wahrnehmung zu reflektieren und wirklich mal darauf zu achten, was man über sich und andere denkt, was man sagt, welche Sprache man benutzt – diese Bewusstheit, auch wenn sie nur ab und zu gelebt wird, könnte schon viel verändern.

Johanna: Ich denke wir sollten alle sanfter mit uns sein. Uns nicht so hart bewerten. Uns immer wieder sagen, dass das, was uns medial vermittelt wird, üblicherweise Normen sind, die nichts mit uns zu tun haben. Wir sagen gerne ‚No Norm is the New Norm‘ – ich glaube das trifft es ganz gut. Wenn wir alle mehr bei uns sind und weniger versuchen, etwas anderes darzustellen, wird gesellschaftliche Vielfalt ganz automatisch sichtbar. Wir müssen laut sein, darüber reden und uns nicht damit abfinden, wie es gerade ist.

Wenn Ihr groß träumen dürftet und die erste Runde von ‚New Norm‘ Ende Oktober abgeschlossen ist. Was sind Eure nächsten Steps? Wie möchtet Ihr das Projekt weiterführen?

Johanna: Wir würden das Ganze gerne regelmäßig machen und unsere Sessions nicht nur in Paderborn anbieten. Wir könnten uns vorstellen, das Format weiter auszubauen, uns vielleicht mal ein ganzes Wochenende mit einer Gruppe von Frauen zurückziehen und vielleicht ein richtiges Retreat daraus zu machen. Uns geht es vor allem darum, Dinge auszuprobieren und daraus zu lernen, was Frauen gut tut.

Lea: Außerdem würden wir die gesellschaftliche, öffentliche Ebene gerne noch mehr einbinden und das Thema weiter nach Außen tragen. Vielleicht sogar Vorträge über unsere Erfahrungen halten und Podien für spannende Frauen öffnen, die ebenfalls einen Beitrag leisten möchten.

Das New Norm Festival

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Als großes Finale des New Norm Projekts in 2024 findet vom 22. – 27. Oktober das New Norm Festival in Paderborn statt. Neben Workshops u.a. mit VOGUE-Fotografin Alina Gross regen Ausstellungen, Filmvorführungen und Podien zur Diskussion an. Das Festival richtet sich in vielen Programmpunkten an die gesamte Stadtgesellschaft, sodass auch angezogene und nicht weibliche Menschen ihren Raum bekommen.

Alle Infos zu Programm und Anmeldung findet Ihr hier.

Larissa Lenze

Larissa bewegt sich zwischen Menschen, Marken und Medien. Als Kulturwissenschaftlerin und Marketingstrategin beobachtet sie Medien- und Zeitgeschehen und spricht mit Menschen, die es mit besonderen Impulsen bereichern.

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