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Ein paar Fragen an Kathrin Weßling

Zum Anlass ihrer Lesung in Düsseldorf durfte ich Kathrin Weßling ein paar Fragen zu ihrem Alltag als Autorin, ihrem neuen Roman und ihrem Umgang mit sozialen Medien stellen.

Welche Geschichte hast du in deiner Kindheit gerne gehört?

Die Geschichte vom Pfannkuchen, der aus der Pfanne sprang und davon rannte!

Wer ist für dich die größte Erzählerin?

Zeruya Shalev

In welche Abteilung treibt es dich als erstes im Buchladen?

Belletristik und Sachbücher. Alles mit Gesellschaft und gesellschaftspolitischen Themen wie Feminismus, Rassismus, Politik, etc.

Du hast dich in der Danksagung deines Buches auch bei der Online-Community bedankt. Liest du selbst viel und tauscht du dich regelmäßig über Bücher aus?

Ich lese in letzter Zeit endlich wieder viel, aber rede eher im direkten Kontakt mit Leuten darüber. Indem ich ihnen zum Beispiel erzähle, was ich gerade lese, sie frage, ob sie das kennen usw. Daraus ergeben sich dann immer tolle Gespräche.

Welches Buch liest du gerade oder als nächstes?

Ich lese gerade von Margarete Stokowski „untenrum frei“ und als nächstes von Noah Sow „Deutschland schwarz weiß“.

Glaubst du mit der Geschwindigkeit des Alltags nimmt auch die Geschwindigkeit des Erzählens zu?

Nein, im Allgemeinen nicht. Und bei mir im Besonderen auch nicht. Bücher können ja gerade ein großartiger Gegenentwurf zur Schnelligkeit sein.

War es immer dein Ziel Bücher zu schreiben? 

Ich glaube schon. Ich wollte als Kind mal kurz Anwältin werden, später Ärztin. Aber der Wunsch, zu schreiben und das tatsächliche Schreiben war immer da und zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben.

Hast du Schreibroutinen?

Leider nein. Die einzige, die ich habe, ist: Panik kriegen, schreiben, kurz ruhig werden, Panik kriegen, alles acht Wochen vor der Deadline anfangen, Deadline verschieben, Panik, panik, panik, Verzweiflung, fertig. Liebe Grüße an all meine Lektorinnen!

Wo holst du dir Inspiration?

Gar nicht absichtlich oder bewusst. Mein Leben ist so ausgefüllt und mein Kopf so neugierig und voller Drang, alles mögliche in sich aufzusaugen, dass ich mir die niemals bewusst suchen musste.

Wie beeinflussen soziale Medien dein Schreiben?

Wenn ich viel auf Twitter bin, schreibe ich besser, witziger. Weil Twitter mir dabei hilft, meine Gedanken pointierter auszudrücken. Facebook lenkt mich nur ab, Instagram blockiert mich oft total. 

Marlene spricht von Achtsamkeitsapps, Yoga und dem Atmen in Chakren. Du greifst hier den Trend der Persönlichkeitsentwicklung auf, gibts ihm aber nicht die Kraft, Marlene aus ihrem Teufelskreis zu befreien. „Selbstverwirklichung bis zur Selbstaufgabe“ sagt sie einmal. Warum dringen die Methoden nicht zu ihr durch, sondern sind nur ein weiteres Element ihrer Selbstdarstellung in den sozialen Medien?

Weil all diese Dinge super sind – wenn man ein bisschen Stress hat. Ich bin auch großer Fan von Achtsamkeit und Meditation. Aber all das heilt eine kaputte Psyche nicht – es unterstützt die eigentliche Heilung bloß. Außerdem werden all diese Dinge auch einfach viel zu oft als Lösung für alles verkauft. Und das sind sie nun mal nicht. Schlussendlich schwingt mir auch zu oft die Botschaft mit: Du bist an deinem leid selbst schuld, würdest du Yoga machen und dich gesund ernähren, ginge es dir nicht so scheiße. Da sind wir wieder bei der Tatsache, dass immer noch viel zu viele Menschen glauben, psychische Erkrankungen hätten etwas mit bewussten Entscheidungen und dem Charakter zu tun.

Marlene betont, dass sie im Marketing-Studium genau auf ihren Job hingearbeitet hat. Dass sie wusste, worauf sie sich einließ und Produkte so bewerben wollte, dass es nicht nach Werbung aussieht. Denkst du, dass Marketingstudenten heute durch das gestiegene Bewusstsein für Umwelt und Klima anders denken? Dass sie bereits vor dem Einstieg in den Job dessen Sinnhaftigkeit hinterfragen? Oder sind sie immer noch so fokussiert auf den erfolgreichen Abschluss, dass diese Gedanken erst danach kommen? 

Ich hoffe das sehr. Allerdings ist ja auch „green washing“ ein Teil von Marketing. Und ich hab nie verstanden, warum man es geil findet, Sachen so zu verkaufen, dass Leute nicht mehr merken, dass sie den ganzen Quatsch nicht brauchen. Werbung ist per se nicht übel, sogar notwendig. Aber es wäre wünschenswert, dass sie mit sowas wie ethischen und moralischen Standards arbeitet. Und das tut sie zu oft nicht.

Nach einem wichtigen Tag bei der Arbeit schreibt Marlene eine WhatsApp Nachricht an Jakob, in der sie endlich einmal ausformuliert, was ihr auf dem Herzen brennt. Anstatt sie abzuschicken, entscheidet sie, ein Selfie mit einem Zitat von Herman Hesse auf Facebook und Instagram hochzuladen und Jakob zu schreiben, dass alles gut gelaufen ist. Warum schrecken Frauen häufig davor zurück, ihre Meinung offen kund zu tun und ihre Gedanken offen auszusprechen? Warum untersagen wir uns oft, die Kontrolle zu verlieren? 

Das ist glaube ich nicht frauenspezifisch, aber meiner Meinung nach etwas, dass Frauen häufiger machen. Und das hat natürlich sehr viel mit so Dingen wie oben beschrieben zu tun: Scheitern ist hässlich, das will doch keine*r sehen. Deshalb muss man dünn sein und informiert und schlau und hübsch und erfolgreich und sozial integriert. In Marlenes Fall hat gerade diese Stelle aber mehr damit zu tun, dass sie ja allgemein nicht will, dass irgendjemand erfährt, wie es ihr wirklich geht, denn sonst würde das Konstrukt zusammenbrechen – auch vor ihr selber.

Als Marlene vorgibt, Beziehungsratschläge zu suchen, erklärt ihre Mutter, dass die Zeiten früher anders waren und es weniger Zweifel gab.„Wenn man heiratet, dann kriegt man auch Kinder und bleibt zusammen.“ sagt sie in diesem Zusammenhang. Ist unsere Generation so orientierungslos, weil wir am Beispiel unserer Vorgänger gelernt haben, dass es diese Sicherheiten nicht gibt? Sind wir zu aufgeklärt, um zu glauben und einfach zu vertrauen?

Ich finde es total gut, zu zweifeln. Ich finde es auch gut, dass Frauen ihre eigenen Wege gehen und sich für das Leben entscheiden, das sie wollen. Und dass es eben nicht selbstverständlich ist, dass eine Frau heiraten und Kinder kriegen muss. Das erfordert natürlich den Mut, sich seine eigene Orientierung zu suchen. Und das ist nun mal verunsichernd. Aber all das finde ich großartig und den richtigen Weg. Mir ist es lieber, Frauen lernen, sich selbst zu vertrauen und sich selber zu glauben, als sich an einen Partner zu hängen und nicht mehr großartig nachzudenken.

Super, und dir?

Das aktuelle Buch von Kathrin Weßling. Mehr Texte von Kathrin findet ihr auf www.kathrinwessling.de

Larissa Lenze

Larissa bewegt sich zwischen Menschen, Marken und Medien. Als Kulturwissenschaftlerin und Marketingstrategin beobachtet sie Medien- und Zeitgeschehen und spricht mit Menschen, die es mit besonderen Impulsen bereichern.

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