Ich begegne Dajana Eder erstmals auf dem emotion Women’s Day 2022 in Hamburg. Sie sitzt mit drei weiteren Panelistinnen auf der Bühne und spricht über ihr Ziel, FLINTA (Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans und agender) den Zugang zum Web3 durch deutschsprachige Inhalte zu ermöglichen.
Wenige Monate später ist Dajana ihrem Ziel ein großes Stück näher gekommen. Als Gründerin von WOM3N.dao, einem Netzwerk aus Gründerinnen und Investorinnen im Web3, ist sie weltweit als Speakerin unterwegs, hat den Digital Female Leader Award im Bereich IT-Tech verliehen bekommen und zählt laut Business Insider Germany zu den 25 Zukunftsmacherinnen Deutschlands.
Vor wenigen Wochen habe ich Dajana wiedergesehen und mit ihr darüber gesprochen, welche Chancen die Auseinandersetzung mit dem Web3 für Frauen birgt, warum es uns weiterbringt, unsere Privilegien zu kennen und was sie seit Jahren dazu bewegt, sich für Diversität (im Web3) einzusetzen und marginalisierten Gruppen eine Stimme zu geben.
Liebe Dajana, erstmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview genommen hast. Du arbeitest mit WOM3N.dao an der Schrittstelle von Technologie und Gesellschaft. Wie würdest Du Deine Einstellung zum Thema Technologie beschreiben?
Technologie ist immer das, was der Mensch aus ihr macht. In der Kommunikation rund um das Thema Künstliche Intelligenz wird oft behauptet, die Technologie selbst agiere diskriminierend. Das stimmt nicht. KI reproduziert im Grunde genau die Probleme, die wir gesellschaftlich bisher nicht gelöst haben.
Grundsätzlich sehe ich deshalb große Chancen. Gerade, wenn wir uns Technologien im Kontext des Web3 anschauen, sehen wir, wie weit das Thema Demokratisierung bereits fortgeschritten ist. Die Zugänge sind deutlich weniger beschränkt als früher, da in vielen Umgebungen die sogenannten Mittelsmänner fehlen. Um sie zu bedienen braucht es nur noch ein Smartphone, Internet und ein bisschen Know How. Häufig scheitert es ausschließlich am Thema Education. Deshalb sehe ich so viel Potenzial in den neuen Technologien. Sie können Menschen mit in das Geschehen einbeziehen, die lange außen vor waren.
Welche Voraussetzungen müssen Deiner Meinung nach erfüllt sein, damit Technologie Mensch und Gesellschaft dienlich sein kann?
In meinem persönlichen Umfeld sehe ich viele Menschen, die sich von Technologie beeinflussen lassen. Weil ich diese Entwicklung nicht mitgehen möchte, versuche ich in meinem eigenen Verhalten sensibler zu werden. Mein Smartphone ist beispielsweise grundsätzlich stummgeschaltet, weil ich selbst bestimmen möchte, wann und wo ich erreichbar bin. Ich glaube, damit Technologie uns dienlich sein kann, müssen wir genau das verstehen: sie ist ein Werkzeug. Erst dann kann sie uns unterstützen.
Wie stehst Du zu potenziellen Regulierungen?
Ich finde es wichtig, dass wir darüber sprechen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der andere Menschen unsere Interessen vertreten und für uns Entscheidungen treffen. Das bedeutet, dass eher allgemeine Interessen vertreten werden als Einzelinteressen. Ein bewusster Umgang mit Technologien kann uns dagegen als Individuen stärken. Haben wir beispielsweise gelernt, mit Social Media umzugehen und die Algorithmen der Plattformen verstanden, können wir beeinflussen, was sie uns ausspielen. Unter dieser Voraussetzung, können Instagram & Co inspirierende, nützliche Tools sein, um unsere Interessen durchzusetzen.
Das ändert natürlich nichts daran, dass die Plattformen biased sind und beispielsweise primär normschöne Frauen ausspielen. Doch diese Bias entspringen unserer Gesellschaft – am Ende geben die Algorithmen wieder, was wir sehen wollen. Natürlich wäre es wünschenswert, dass die Plattformbetreiber aktiv eingreifen und diese Probleme angehen, aber wir sollten uns ebenfalls bewusst machen, dass, wenn wir unser Verhalten ändern, die Inhalte auf den Plattformen nachziehen.
Reglementierung nimmt den Menschen sehr aus der Verantwortung. Einzuschränken bedeutet auch immer, Parameter zu definieren, nach denen diese Einschränkung erfolgen soll und die werden wieder von bestimmten Instanzen geformt. Mir scheint es wichtiger, den Nutzer*innen Eigenverantwortung beizubringen.
Blockchain war vor einigen Jahren ein Hype, der gefühlt zuerst vom Metaverse und kürzlich von Künstlicher Intelligenz abgelöst wurde. Ihr bleibt mit WOM3N.dao Eurem Fokus auf Web3 treu – warum seht Ihr gerade hier so viel Potenzial?
Ich habe in den letzten Jahren erlebt, dass überall, wo Hype ist, Geld fließt. Viele dieser Investitionen sind nicht aufgegangen. Die Unternehmen und Gründungen in diesen Sphären sind üblicherweise male-fokussed und schließen damit die Hälfte der Gesellschaft aus. Durch diese Einschränkung erreichen die Hypes relativ schnell einen Peak, denn ab einem gewissen Punkt kommen keine Männer mehr dazu und Frauen fühlen sich nicht angesprochen. Spätestens dann stürzt das Konstrukt in sich zusammen. Das haben wir beispielsweise beim Thema NFTs gesehen.
Web3 umfasst alle Themen rund um Blockchain und Dezentralisierung, geht aber weit darüber hinaus. Üblicherweise versammelt sich unter dem Begriff alles, was die Zukunft des Internets beeinflusst und dazu gehört beispielsweise auch Künstliche Intelligenz. Wir sind uns sicher, dass in Zukunft jede*r mit dem Web3 zu tun haben wird. Die Frage ist also, wie früh man lernt, die Technologien für sich zu nutzen. Mit WOM3N.dao schaffen wir deshalb eine Plattform, die Education anbietet und Menschen über das Thema miteinander vernetzt.
Warum haltet Ihr es für so wichtig, dass besonders Frauen sich mit diesen ‚neuen‘ Technologien beschäftigen?
Bei uns geht es nicht darum, einzelne Plattformen vorzustellen, sondern die Anwendung und Entwicklung der dahinter liegenden Technologien zu verstehen. Wer heute lernt, mit KI seinen Arbeitsalltag zu erleichtern, ist bereis mit einem Fuß im Web3. Wer versteht, dass Crypto Currencies dabei helfen können, Geld in Echtzeit von A nach B zu senden, ebenfalls.
Frauen werden anders sozialisiert als Männer: Uns werden viele Care-Features und Soft-Skills mitgegeben und wenn eine Sache in den nächsten Jahren rund um das Thema Technologie relevant wird, dann ist es Empathie. Frauen, die heute im Web3 aktiv werden, bringen diese Empathiefähigkeit mit. Ihre Unternehmen sind Purpose-driven, die Hierarchien flach und die Möglichkeiten riesig. Im Web3 erreichen sie mehr Menschen, können sich weltweit vernetzen und bekommen die Chance, am Markt mit den anderen aufzuschließen. Ich sehe hier eine riesige Chance, um Gender Gaps zu schließen oder direkt zu überspringen.
Was sind Eure Ziele mit WOM3N.dao?
Unsere Arbeit ist darauf fokussiert, Frauen zu stärken, die sich im Web3 bewegen. Es geht darum, die Frauen, die Teil unserer WOM3N.dao sind, zu entwickeln und zu begleiten, damit sie ihre Fähigkeiten verbessern und ihre Visionen nach außen tragen. Indem wir diese Frauen mit konkreten Projekten und Produkten in der Öffentlichkeit positionieren, schaffen wir Vorbilder für andere und machen das Thema anziehend. Frei nach dem Motto: You can’t be, what you can’t see. möchten wir Gründerinnen unterstützen, die ihre Zukunft im Web3 sehen. Wir fördern sie über Education, Community-Building, externe Expertinnen und Mentorinnen, ebenso wie Events und Plattformen, die uns gegeben werden oder die wir selbst schaffen.
Und wie kann man Teil dieses Netzwerks werden?
Man kann sich über ein Formular auf unserer Website auf eine Mitgliedschaft bewerben. Dort teilt man mit, was einen interessiert und was man mitbringt. Am Ende ist es eine Community-Entscheidung, wer dazukommt und wer nicht aufgenommen wird.
Was ist der Unterschied zwischen einem Netzwerk und einer Dao?
Unter anderem die Transparenz im Stimmrecht. Wir haben als Gemeinschaft gewisse Werte formuliert, an denen wir uns orientieren und jede*r, der oder die einen Token hält, kann mit diesem Token das eigene Stimmrecht nutzen. Der größte Unterschied zu herkömmlichen Netzwerken ist wahrscheinlich die Transparenz durch die Blockchain: Sämtliche Prozesse und Abstimmungen finden on-chain statt und sind damit fälschungssicher.
Warum habt Ihr entschieden, die Mitgliederzahl zu begrenzen?
Insgesamt werden wir 50 Token herausgeben. Aktuell sind wir bei 23 – 25 und wir sehen schon jetzt die Herausforderungen, die mit der wachsenden Community einhergehen. Beispielsweise brauchen wir jemanden, der 24/7 verfügbar ist und sich als Communtiy Managerin darum kümmert, dass alle Belange gehört, Rückmeldungen sortiert und Menschen animiert werden. Und je größer wir werden, desto schwieriger wird es, allen Stimmen Raum zu geben. Deshalb war die Begrenzung auf 50 Token eine wichtige Entscheidung für uns.
Für alle, die es nicht unter die 50 Token schaffen oder auch kein aktiver Teil der Dao sein möchten, veranstalten wir unsere Women Apero Events. Vor Kurzem waren wir damit in München, nächstes Jahr geht es u. a. nach Frankfurt, Hamburg, Berlin und Köln. Die Veranstaltungen sind offen für alle und umfassen üblicherweise ein Live-Podcast-Interview, in dem Frauen aus unterschiedlichen Bereichen über das Thema Web3 sprechen. Außerdem hat jede Frau die Möglichkeit, sich in einem Speed Intro vorzustellen und sich so mit den anderen zu vernetzen.
Welche positiven Effekte könnte ein gleichberechtigtes Web3 in Deinen Augen auf das Geschehen in der (analogen) Welt haben?
Gesellschaftliche Entwicklungen zu beobachten fällt mir aktuell sehr schwer. Ich sehe immer häufiger, dass selbst Unternehmen, die sich einem Purpose verschreiben, zu wenig tun, um diesem gerecht zu werden. Im Wissen, welche Chancen es gerade gibt, ist es schwer mit anzusehen, wie wenig umgesetzt wird.
Ich denke manchmal, dass der größte Feind der Menschheit die Trägheit ist. Wir sind so träge, so wenig offen für Veränderung und so wenig zukunftsorientiert – vielleicht auch, weil der Alltag der meisten zu überfordernd ist und sie keine Kapazität haben, um an morgen zu denken. Viele verlassen sich auch darauf, dass es irgendwer schon richten wird. Gerade in Deutschland leben wir mit so vielen Privilegien. Ich mache seit über 15 Jahren Gleichstellungsarbeit. Die letzten sechs aktiver denn je. Und ich merke, dass viele wirklich etwas verändern wollen. Es gibt aber noch mehr, die hocken bleiben und sich denken: „Ist doch gut, so wie es ist.“
Hast Du denn – gerade weil Du die Arbeit schon so lange machst – Strategien entwickelt, wie Du Menschen aus dieser Trägheit heraus bewegen kannst?
Meine Oma hat immer zu mir gesagt: „Du musst mit Deinen Energien haushalten.“ Ich habe diese Aussage lange nicht verstanden, weil ich dachte: „Wenn nicht ich, wer dann?!“ Heute weiß ich, dass ich Menschen nur so lange motivieren kann, wie sie mit mir im direkten Austausch stehen. Bricht diese Verbindung ab, verfallen die meisten wieder in die Trägheit, in der sie vorher waren.
Am Ende ist es oft nicht mehr als ein Satz, mit man eine Leserin oder einen Zuhörer erreicht und der etwas verändert. Das passiert dann, wenn er oder sie die Bereitschaft zeigt, aufmerksam dabei zu sein – so wie die Frauen, die zu unseren Events kommen. Mein Ziel ist es, ihnen diesen einen Satz mitzugeben. Wenn durch ihn der Stein ins rollen kommt, haben wir etwas geschafft. Alles was wir mit Druck versuchen, raubt uns am Ende mehr Energie, als es auf der anderen Seite bewirkt. Deshalb motiviere ich nicht mehr, stelle mich nicht mehr jedem Gespräch und muss auch niemanden mehr überzeugen.
Trotzdem machst Du weiter. Wie schaffst Du das?
Ich sehe in meinem Dasein, in dem Weg, den ich gegangen bin, dem Wissen, das ich sammeln durfte und den Privilegien, die ich genieße, eine gesellschaftliche Verantwortung. Ich kann mich nicht einfach an der Gesellschaft, der Umwelt und den Ressourcen bedienen, ohne etwas zurückzugeben. Für mich geht die Gleichung sonst nicht auf. Ich habe nicht die Illusion, die Welt zu einem besseren Ort machen zu können, aber ich glaube daran, dass ich als Einzelne zumindest dafür sorgen kann, dass sich das Leben von ein paar Menschen zum positiven verändert. Und das scheint mir besser, als würde gar nichts passieren. Der Wunsch, dass für mich die Gleichung irgendwann aufgeht – das ist es, was mich weitermachen lässt.
Der Wunsch, dass für mich die Gleichung irgendwann aufgeht – das ist es, was mich weitermachen lässt.
Dajana Eder
Du hast bereits mehrmals über Privilegien gesprochen und gibst auch auf der Bühne häufig den Ratschlag „Know your Priviledge.“ Was meinst Du genau, wenn Du das sagst?
Sind wir uns unserer eigenen Privilegien bewusst, können wir ihnen entsprechend handeln und beispielsweise unsere Stimme für Menschen erheben, die diese Privilegien nicht haben.
Wenn ich bei Konferenzen auf der Bühne stehe, sitzt vor mir oft ein elitärer Kreis von Menschen, denn nicht jede*r hat die Möglichkeit, diese Veranstaltungen zu besuchen. Ich rege die Zuhörenden deshalb dazu an, ihr Smartphone herauszunehmen und Menschen, die vielleicht kein Geld für das Bahn- oder Veranstaltungsticket hatten, keine Kinderbetreuung gefunden haben oder keine Zugang zur Location haben, weil sie nicht barrierefrei ist, an ihrem Erlebnis teilhaben zu lassen.
Wenn wir unsere Privilegien nicht bewusst wahrnehmen, neigen wir dazu, im eigenen Saft zu kochen anstatt uns über die Möglichkeit zu freuen, die sie uns bieten. Auch bei WOM3N.dao-Veranstaltungen haben wir angefangen, unsere Podcasts aufzuzeichnen und kostenlos zur Verfügung zu stellen. Sicherlich denken wir trotzdem blinde oder taube Menschen aktuell noch nicht mit. Aber je größer wir werden, desto wichtiger wird es für uns, diese Themen –beispielsweise über den Einsatz von Technologie – anzugehen und umzusetzen.
Sich mit den eigenen Privilegien zu konfrontieren zeigt uns, was es bedeutet, sie nicht zu haben. Und je mehr wir das verstehen, desto mehr inklusive Produkte, Projekte und Communities können wir schaffen. Es reicht nicht, einfach nur die Tür aufzustoßen und zu sagen: Kommt doch rein.
Sich mit den eigenen Privilegien zu konfrontieren zeigt uns, was es bedeutet, sie nicht zu haben.
Dajana Eder
Im gleichen Zuge sagst Du auch „Know the Bias“. Kannst Du auch hierauf kurz eingehen?
Meine Vorträge stehen Grundsätzlich unter dem Motto: „Know your Priviledge. Know the Gaps. Know the Bias.“ Mir geht es hier vor allem um das Thema Inklusion, denn versuchen wir, inklusiv zu denken, fallen uns sehr schnell unsere eigenen Bias auf.
Vor Kurzem habe ich mich beispielsweise gefragt, ob ich auch ältere Frauen aktivieren kann. Ich dachte, dass mein Aufwand als Educator bei dieser gesellschaftlichen Gruppe vielleicht höher wäre, habe dann aber in der Recherche gemerkt, dass mir viele ältere Frauen bereits folgen. In solchen Momenten haben wir die Chance zu erkennen, welche Bias uns lenken. Warum habe ich geglaubt, dass es aufwendiger sei, ältere Frauen an das Web3 heranzuführen als jüngere? Kennt man die eigenen Bias nicht, schließt man vielleicht ohne Grund bestimmte Gruppen aus.
Was hat es für Dich ganz persönlich gebraucht, um Deine Themen und Deine Stimme zu finden und den Mut, damit rauszugehen?
Ich habe in meiner Kindheit und Jugend traumatische Erfahrungen gemacht, die das Gefühl von Schuld tief in mir verankert haben. Niemand kann etwas dafür, was ihm oder ihr als Kind oder Jugendliche*r widerfährt, trotzdem sucht man die Schuld häufig bei sich.
Heute weiß ich, dass es unter anderem diese Schuld ist, die mir meine Stimme verliehen hat. Ich war in Situationen, in denen ich keine Stimme hatte. Wenn ich sie heute für andere erheben kann, ist es für mich eine Art, Erfahrungen zu verarbeiten und mich aus der Schuld zu nehmen. Wenn ich heute für andere Frauen spreche, dann deshalb, weil ich mir früher gewünscht hätte, dass jemand für mich spricht. Das ist ein starker Antreiber. Ich finde heute ein Stück weit Frieden, wenn ich Menschen mit meiner Präsenz helfen kann.
Woher nimmst Du die körperlichen, mentalen und monetären Ressourcen, um Dich einzusetzen?
Durch traumatische Erfahrungen entsteht viel Schmerz – gerade künstlerisch aktive Menschen produzieren oft aus dem Schmerz heraus. Da zähle ich mich auf jeden Fall dazu. Ich bin am kreativsten und effektivsten, wenn mein Schmerz am größten ist. Deshalb sage ich auch immer, in meinem Leben gibt es keine Balance. Meine Kraft kommt aus dem Schmerz und ich kann entscheiden, was ich mit ihm tue.
Manchmal sehe ich die Lebensumstände anderer Menschen und werde durch sie an meinen eigenen Schmerz erinnert. Ich war selbst einmal dort, wo sie sich befinden und habe meinen Weg in ein ganz anderes Leben gefunden. Heute stehe ich auf Bühnen, Menschen sehen mich als Inspiration und fühlen sich motiviert durch meine Worte. Wenn ich in diesen Momenten meine damalige und heutige Realität übereinanderlege, merke ich erst, wie wenig sie zueinander passen.
Genau deshalb ist es mir so wichtig, ehrlich zu sagen, wer ich bin und welche Geschichte ich mitbringe. Das setzt meine Arbeit in einen ganz anderen Kontext, denn wenn ich falle, falle ich hart. Ich habe keine Familie, die mich unterstützt oder jemals unterstützt hätte. Wenn ich Interviews von anderen Menschen höre, fehlen mir oft Beispiele von denen, die keine Unterstützung aus ihrem Umfeld bekommen haben. Weder emotional, noch finanziell. Ich bin wahnsinnig früh ausgezogen und musste seitdem für mich selbst sorgen.
Wenn ich heute ein Unternehmen gründe, arbeite ich durch diesen Hintergrund ganz anders daran und zeige sehr viel mehr Durchhaltevermögen, weil ich nicht fallen und mir die Knochen brechen möchte. Ich habe mittlerweile viele Freundinnen und Mentorinnen, die mich unterstützen und stark machen. Durch sie kann ich viel von dem Schmerz in mir in etwas umwandeln, das anderen hilft. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich morgens aufstehe: wenn ich nur eine Person erreiche, habe ich etwas bewirkt. Das ist meine Form der Therapie.
In welcher Art drückst Du Dich künstlerisch aus?
Ich beschäftige mich mit Fotografie und Poesie, wobei die Fotografie aktuell der Fokus meiner künstlerischen Arbeit ist. Ich mag insbesondere Schwarz-Weiß Fotografie, weil die scheinbar farblosen Bilder durch die Ausdrucksstärke des Abgebildeten und die Vorstellungskraft der Betrachtenden Wärme, Farbe und Emotionen bekommen.
In den letzten 2,5 – 3 Jahren habe ich primär Frauen fotografiert. Meine Bildern zeigen vor allem Körper, Interaktionen und (zwischen-)menschliche Beziehungen. Mir ist es wichtig, durch sie mit Sehgewohnheiten zu brechen und Körperlichkeit fernab von Sexualität darzustellen. Es geht mir darum, den Menschen sehen zu lernen und nicht nur nackte Körper, die möglicherweise in einem sexuellen Kontext zueinander stehen.
Ich nenne das ganze Monochromia Sessions und arbeite dabei bewusst nicht mit Models. Bei jeder Session fällt mir auf, wie unsicher Menschen vor der Kamera sind. Insbesondere wir Frauen sind so sehr darauf gepolt, uns im Bild zu optimieren und eine Pose einzunehmen anstatt uns natürlich zu verhalten und mit dem oder der Fotografierenden zu interagieren. Je mehr wir von unserem Körper preisgeben, desto größer wird diese Unsicherheit. Die Sessions dauern 20 – 30 Minuten und spätestens nach 10 Minuten kommen vielen die Tränen, weil sie das erste mal direkt mit dieser Emotion konfrontiert werden. In dem Moment, wo uns bewusst wird, dass uns jemand anschaut – egal mit wie viel Wertschätzung das passiert – merken wir, wie sehr wir auf unser Äußeres geprägt sind.
Als jemand, der sich viel mit (Selbst-)Darstellung auseinandersetzt und auch im Bereich Personal Branding arbeitet: Wie schaffst Du es, Dich im Social Web als professionelle, kreative und gleichzeitig als private und nahbare Person darzustellen?
Im Mai 2022 habe ich meinen ersten Insta-Post vom Mai 2012 geteilt und darauf aufbauend die Geschichte erzählt, die man an der Entwicklung meines Feeds lesen und verfolgen kann. Ich finde, das ist gerade das Schöne an Social Media: Wir haben die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen und Einblicke in unser Leben zu gewähren. Ich teile daher das, was mich als Person ausmacht – und das sind eben verschiedene Rollen. Am Ende sehen die Menschen am Bildschirm genau das, was sie von mir sehen wollen. Die einen wollen die Fotografin, die anderen die Web3-Expertin und wieder andere finden es gut, dass ich regelmäßig zum Sport gehe.
Ich nehme mich aber auch immer wieder zurück. Wenn man viel auf Social Media unterwegs ist, wird man vergleichbar. Es gibt Menschen, die sich mit Dir und Deinen vermeidlichen Leistungen vergleichen. Ich versuche Inhalte zu vermeiden, die dazu einladen. Wenn es um Sport oder berufliche Events geht, merke ich oft, dass Menschen in die Bewertung gehen und mich fragen, wie ich das mache und wie sie das auch können. Sie vergleichen dann die Bühnen, auf denen ich stehe, mit denen, auf denen sie sich bewegen. In solchen Momenten versuche ich zu sensibilisieren: eine Bühne ist eine Bühne – ganz egal, ob 1.000 oder 10 Menschen im Publikum sitzen.
Ich danke Dir für dieses ehrliche und inspirierende Interview.
Women in Web3
I met Dajana Eder for the first time at emotion Women’s Day 2022 in Hamburg. She is sitting on stage with three other panellists talking about her goal of giving FLINTA* (women, lesbians, inter, non-binary, trans and agender*) access to Web3 through German-language content.
A few months later, Dajana has come a big step closer to her goal. As the founder of WOM3N.dao, a network of female founders and investors in Web3, she has travelled the world as a speaker, received the Digital Female Leader Award in the field of IT tech and, according to Business Insider Germany, is one of Germany’s 25 future makers.
A few weeks ago, we met again. We spoke about the opportunities engaging with Web3 holds for women, about why we need to know our privileges in society and about what has driven Dajana to champion diversity (in Web3) and give marginalized groups a voice.
Dear Dajana, first of all, thank you for taking the time for an interview. With WOM3N.dao you work at the intersection of technology and society. How would you describe your attitude towards technology?
In my experience, Technology is always what people make of it. In the communication surrounding the topic of artificial intelligence for example, it is often claimed that the technology itself is discriminatory. That’s not true. AI basically reproduces the very problems that we haven’t yet solved in society.
Therefore, I see great opportunities. When we look at technologies in the context of Web3, we see how far democratisation has already progressed. Access is much less restricted than it used to be because in many environments there are no more middlemen. All that is needed to operate the technologies is a smartphone, an internet connection and a little know-how. The only thing that often fails is education. That’s why I see great potential in new technologies. They can involve people who have been excluded for a long time.
In your opinion, what conditions need to be met for technology to be of benefit to people and society?
In my personal environment, I see many people who allow themselves to be influenced by technology. I don’t want to go along with this development. That’s why I’m trying to become more sensitive in my own behaviour: my smartphone is always switched off as I want to decide for myself when and where I can be contacted. I believe that for technology to be useful to us, we need to understand that it is a tool. Only then it will be able to support us.
What do you think about potential regulations?
I think it’s important to talk about it. We live in a society in which other people represent our interests and make decisions for us. This means that general interests are represented rather than individual interests. A conscious approach to technology can strengthen us as individuals. If we have learnt how to deal with social media and understand the algorithms of the platforms for example, we can influence what they show us. With this in mind, Instagram and others can be inspiring, useful tools for asserting our interests.
Of course, this doesn’t change the fact that the platforms are biased and primarily play out standardised beautiful women for example. But these biases originate from society – in the end, we have to understand that the algorithms reflect what we want to see. Of course, it would be desirable that the platform operators would actively intervene and tackle these problems, but we should also be aware that if we change our behaviour, the content on the platforms will follow.
Regulation takes a lot of responsibility away from people and restricting always means defining parameters according to which this restriction should take place. These are again shaped by certain authorities. To me, it seems more important to teach users personal responsibility.
A few years ago, Blockchain seemed a hype which was replaced by the metaverse and recently by artificial intelligence. With WOM3N.dao, you are staying true to your focus on Web3 – why do you see so much potential in this area?
In recent years, I have learned: where there’s hype, there is money. Many of those investments have not materialised. The companies and start-ups in these spheres are usually male-focussed and therefore exclude at least half of society. This restriction means that every hype relatively quickly reaches a peak, because at a certain point no more men join in and women don’t feel addressed. This is the point at which the construct collapses. We have seen this with NFTs, for example.
Web3 encompasses all topics related to blockchain and decentralisation, but goes far beyond that. The term usually encompasses everything that influences the future of the internet, including artificial intelligence. We are certain that everyone will be involved with Web3 in the future. So the question is how early you learn to use the technologies for yourself. With WOM3N.dao, we are therefore creating a platform that offers education and connects people on the topic.
Why do you think it is so important for women in particular to engage with these technologies?
Our aim is not to present individual platforms, but to make people understand the application and development of the technologies behind them. Anyone who learns how to use AI to make their day-to-day work easier today already has one foot in Web3. Anyone who understands that cryptocurrencies can help to send money from A to B in real time, too.
Women are socialised differently to men: we are given care features and soft skills and if there is one thing that will become relevant in the coming years when it comes to technology, it is empathy. Women who are active in Web3 today bring this empathy ability with them. Their companies are purpose-driven, the hierarchies are flat and the opportunities are huge. In Web3, they reach more people, can network worldwide and have the chance to catch up with others on the market. I see a huge opportunity here to close or directly bridge gender gaps.
What are your goals with WOM3N.dao?
Our work is focussed on empowering women who are active in Web3. It’s about developing and supporting the women who are part of our WOM3N.dao so that they can improve their skills and realise their visions. By positioning these women in the public eye with concrete projects and products, we create role models for others and make the topic attractive. True to the motto: You can’t be, what you can’t see. we want to support female founders who see their future in Web3. We support them through education, community building, external experts and mentors, as well as events and platforms that are given to us or that we create ourselves.
And how can women become part of this network?
You can apply for membership via a form on our website. in this you tell us what you are interested in and what you bring to the table. In the end, it’s up to the community to decide who joins and who doesn’t.
What is the difference between a network and a Dao?
The transparency of voting rights, among other things. As a community, we have formulated certain values that guide us. Anyone who holds a token can use this token to exercise their voting rights. The biggest difference to conventional networks is probably the transparency provided by the blockchain: all processes and votes take place on-chain and are therefore tamper-proof.
And why did you decide to limit the number of members?
We will issue a total of 50 tokens. We are currently at 23 – 25 and we can already see the challenges that come with a growing community. For example, we need someone who is available 24/7 acting as a community manager to ensure that all concerns are heard, feedback is sorted and people are encouraged. And the bigger we get, the more difficult it becomes to give space to all voices. That’s why the limit of 50 tokens was an important decision for us.
We organise our Women Apero events for anyone who doesn’t make it under the 50 tokens or who doesn’t want to be an active part of the Dao. We recently did this in Munich, and in 2024, we’re organising events in Frankfurt, Hamburg, Berlin and Cologne. The events are open to everyone and usually include a live podcast interview in which women from different fields talk about the topic of Web3. Each woman also has the opportunity to introduce herself in a speed intro to network with the others.
What positive effects do you think an equal Web3 could have on events in the (analogue) world?
I currently find it very difficult to observe social developments. I am increasingly seeing that even companies that are committed to a purpose are doing too little to fullfil it. Knowing what opportunities there are right now, it’s hard to see how little is being realised.
I sometimes think that the greatest enemy of humanity is inertia. We are so lazy, so little open to change and so little future-orientated – perhaps also because most people’s everyday lives are too overwhelming and they have no capacity to think about tomorrow. Many also rely on the fact that someone else will sort it out. Especially in Germany, we live with so many privileges. I’ve been doing equality work for over 15 years now. The last six more actively than ever. And I keep seeing that many people really want to change something. But there are still many more who stay put and think: „It’s fine the way it is.“
Have you developed strategies – precisely because you’ve been doing this work for so long – to get people out of this inertia?
My grandma always said to me: „You have to manage your energy.“ I didn’t understand this statement for a long time because I thought: „If not me, then who?“ Today I know that I can only motivate people as long as they are in direct dialogue with me. If this connection breaks down, most people fall back into the inertia they were in before.
In the end, often it’s nothing but one sentence that reaches a reader or listener and still changes something. This happens when he or she shows a willingness to pay attention – just like the women who come to our events. My aim is to give them this one sentence. If it gets the ball rolling, we have achieved something. Everything we try to do with pressure ultimately robs us of more energy than it achieves on the other side. That’s why I no longer motivate people, no longer face every conversation and no longer have to convince anyone.
The desire that the equation will work out for me at some point – that’s what keeps me going.
Dajana Eder
Nevertheless, you carry on. How do you manage that?
I see a social responsibility in my existence, in the path I have travelled, the knowledge I have been able to gather and the privileges I enjoy. I can’t simply help myself to society, the environment and resources without giving something back. Otherwise the equation doesn’t work for me. I don’t have the illusion that I can make the world a better place, but I do believe that as an individual I can at least ensure that a few people’s lives change for the better. And that seems better to me than nothing happening at all. The desire that the equation will work out for me at some point – that’s what keeps me going.
When talking on stage, you often give the advice „Know your privilege“. What exactly do you mean when you say that?
If we are aware of our own privileges, we can act accordingly and, for example, raise our voices for people who don’t have these privileges.
When I stand on stage at conferences, there is often an elite circle of people sitting in front of me, because not everyone has the opportunity to attend these events. I therefore encourage the audience to take out their smartphones and let people – who perhaps didn’t have the money for the train or event ticket, didn’t find childcare or don’t have access to the location because it’s not barrier-free – share in their experience.
If we don’t consciously recognise our privileges, we tend to stew in our own juices instead of enjoying the opportunities they offer us. At WOM3N.dao events, we have started to record our podcasts and make them available for free. Of course, we still don’t think about blind or deaf people at the moment. But the bigger we get, the more important it becomes for us to address and implement these issues – for example, through the use of technology.
Confronting our own privileges shows us what it means not to have them. And the more we understand this, the more inclusive products, projects and communities we can create. It’s not enough to just open the door and say: Come on in.
Confronting our own privileges shows us what it means not to have them.
Dajana Eder
You also tell them „know the bias“. Can you briefly elaborate on this?
The motto of my presentations is basically: „Know your Privilege. Know the Gaps. Know the Bias.“ I’m particularly interested in the topic of inclusion, because when we try to think inclusively, we very quickly realise our own biases.
Recently, for example, I asked myself whether I could also activate older women. I thought that my effort as an educator might be higher with this social group, but then I realised during my research that many older women were already following me. In moments like this, we have the chance to recognise which biases are guiding us. Why did I believe that it was more difficult to introduce older women to the web3 than younger ones? If you don’t know your own bias, you might exclude certain groups for no reason.
What did it take for you personally to find your topics and your voice and the courage to go out with them?
I had traumatic experiences in my childhood and youth that left me with a deep sense of guilt. Nobody can influence what happens to them as a child or young person, but they still often blame themselves.
Today I know that – among other things – it is this guilt that has given me my strength. I was in situations where I had no voice. If I can raise it for others today, it’s a way for me to process experiences and take myself out of the guilt. If I speak up for other women today, it’s because I would have wanted someone to speak for me in the past. That is a strong driver. Today, I find a bit of peace when I can help people with my presence.
Where do you get the physical, mental and monetary resources to apply yourself?
Traumatic experiences cause a lot of pain – artistically active people for example often produce out of pain. I definitely count myself among them. I am at my most creative and effective when my pain is at its greatest. That’s why I always say that there’s no balance in my life. My strength comes from the pain and I can decide what I do with it.
Sometimes I see other people’s circumstances and they remind me of my own pain. I myself was once where they are and found my way into a completely different life. Today I stand on stages, people see me as an inspiration and feel motivated by my words. In these moments, when I superimpose my past and present reality, I realise how little these two worlds fit together.
That’s why it’s so important for me to be honest about who I am and what my story is. It puts my work in a completely different context, because when I fall, I fall hard. I don’t have a family that supports me or has ever supported me. When I hear interviews from other people, I often miss examples of those who didn’t get any support from their environment. Neither emotionally nor financially. I moved out incredibly early and have had to fend for myself ever since.
When I start a business today, I work on it in a completely different way because of this background and show a lot more stamina because I don’t want to fall and break my bones. I now have many friends and mentors who support me and make me strong. Through them, I can turn a lot of the pain inside me into something that helps others. That’s probably why I get up in the morning: if I reach just one person, I’ve made a difference. That’s my form of therapy.
How do you express yourself artistically?
I work with photography and poetry, although photography is currently the focus of my artistic work. I particularly like black and white photography because the seemingly colourless images take on warmth, colour and emotion through the expressiveness of the person depicted and the imagination of the viewer.
In the last 2.5 – 3 years I have primarily photographed women. My pictures mainly show bodies, interactions and (inter-)human relationships. It is important to me to break with viewing habits and depict physicality far removed from sexuality. My aim is to learn to see people and not just naked bodies that may be in a sexual context with each other.
I call the whole thing Monochromia Sessions and deliberately don’t work with models. At every session I realise how insecure people are in front of the camera. We women in particular are so focused on optimising ourselves in the picture and striking a pose instead of behaving naturally and interacting with the photographer. The more we reveal of our bodies, the greater this insecurity becomes. My sessions last 20 – 30 minutes and after 10 minutes at the latest, many people are in tears because they are confronted with this emotion for the first time. The moment we realise that someone is looking at us – no matter how appreciative they are – we realise how much we are influenced by our appearance.
As someone who deals a lot with (self-)presentation and also works in the field of personal branding: How do you manage to present yourself on the social web as a professional, creative and at the same time as a private and approachable person?
In May 2022, I re-shared my first Insta post from May 2012 and, building on this, told the story that you can read and follow in the development of my feed. I think that’s the beauty of social media: We have the opportunity to tell stories and provide insights into our lives. I therefore share what defines me as a person – and these are different roles. In the end, people see exactly what they want to see from me on screen. Some want the photographer, others the Web3 expert and still others like the fact that I go to the gym regularly.
But I also always take a step back. If you spend a lot of time on social media, you become comparable. There are people who compare themselves to you and your supposed achievements. I try to avoid content that invites this. When it comes to sport or professional events, I often notice that people go into the assessment and ask me how I do it and how they can do it too. They then compare the stages I’m on with the ones they’re on. In moments like these, I try to sensitise people: a stage is a stage – regardless of whether there are 1,000 or 10 people in the audience.