Magische Rituale

Selfcare Rituale

Es ist fast 20 Jahre her, dass mit Serien wie Buffy oder Charmed das Übersinnliche seinen Weg in den Mainstream fand. Es war der Beginn der 2000er – eine Zeit voller Umbrüche, Mythen und Weissagungen, die sich in Serien, Filmen, Musik, Büchern und Zeitschriften widerspiegelte. Ähnlich wie heute, blickte man gespannt in die Sterne, legte Tarotkarten und trug Edelsteine am Handgelenk, um seine Energien zu lenken. Doch welchen Wert haben magische Rituale im Alltag wirklich?

Der Zauber der Erinnerung

Seit Kindheitstagen buchverrückt habe ich nicht nur gebannt die damaligen Plots verfolgt, sondern natürlich auch die Bücher gelesen, die aus den Serien hervorgingen: Das Buch der Schatten, Das Buch der Magie, Das Buch der magischen Rituale, Das Buch der Dämonen, Monster, Götter und Schattenwesen. Es war eine Zeit, in der ich mit Freundinnen Kräuter suchte, mit meiner Mutter Edelsteine sammelte und mit meiner Großmutter Kerzen ansteckte, um an Menschen zu denken, die nicht mehr bei uns waren.

Das Buch der Schatten, Maja Sonderbergh

„Moderne Hexen […] kennen die Regeln der Natur und versuchen, im Einklang mit ihnen zu leben. Die Natur und ihre Gesetze bilden die Grundlage für alles, was eine Hexe tut. Feste Rituale führen wir aus, um uns auf das Spiel der Kräfte in der Natur und ihrem Rhythmus, der vor allem durch Mondphasen und die vier Jahreszeiten beeinflusst wird, einzustimmen.“

Das Buch der Schatten, Maja Sonderbergh

Everyday Witchcraft

Ambrosia Hawthorn –
Everyday Witchcraft

Mit dem Beginn des Herbstes, und dem Erscheinen eines neuen Buchs wurde ich nun in diese ‚magische Zeit‘ meiner Kindheit zurückgeworfen: Everyday Witchcraft – Magische Rituale für jeden Tag von Ambrosia Hawthorn ist ein Wegweiser für das Leben als Hexe, wie ich ihn damals im Buch der Schatten von Maja Sonderbergh fand.

Im Rahmen der New-Age Spiritualität feiert die Faszination rund um das Magische seit Jahren ein Comeback im Mainstream. Schamanismus, Edelsteine, Räuchern – alles scheint irgendwie wieder da und gar nicht mehr so ‚eso’, wie noch vor ein paar Jahren. Umso mehr interessierte mich der Ansatz einer neuen Generation von Autor*innen, die sich diesem Thema widmet. Deshalb bewarb ich mich auf ein Rezensionsexemplar von ‚Everyday Witchcraft‘ beim Goldmann Verlag.

Hawthorns Buch beginnt – ähnlich viele der aktuellen Texte aus dem Bereich Persönlichkeitsentwicklung (oder Selbsthilfe, wie man es früher nannte) – mit einem Blick auf die individuellen Zielvorstellungen der Leser*innen und (potenziellen) Hexen. Es bietet eine Sammlung an Möglichkeiten, um sich in der magischen Welt zu bewegen wobei die Autorin den Leser*innen die richtigen Stichworte nennt, um einen eigenen Zugang zum Thema zu finden. So ist es ein schöner Überblick über die verschiedenen Felder der modernen Spiritualität mit ersten Impulsen, wie man sich ihnen nähern und wo man Gleichgesinnte finden kann.

Mit der Natur im Einklang

Auch Claire Gogerty widmet sich mit dem Kartenset Witchcraft für das ganze Jahr – 25 magische Hexenkarten der Magie des Alltags. Die acht ‚Kapitel‘ ihres Sets orientieren sich an den acht Sabbaten des Hexenjahres und sind damit angelehnt an die Jahreszeiten und die Höhepunkte des traditionellen Bauernkalenders. Nutzer*innen lernen die keltischen Feste der Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen sowie die dazwischen liegenden Tage kennen und erfahren mehr über ihre Bedeutung und die mit ihnen verbundenen traditionellen Handlungen.

Claire Gogerty – Witchcraft

Gogertys Karten sind so angelegt, dass sie die Ereignisse erklären und mit Handlungsimpulsen dazu anregen, die Feste ritualisiert zu begehen und sich selbst die in ihnen enthaltene Magie zu erschließen. Die Karten regen dazu an, seine Umwelt und ihre zyklischen Veränderungen als Anlass zu nehmen, um einen Blick auf sich selbst und die eigene Umgebung zu werfen.

„Wie ein Gebet ermöglicht ein Zauber die Fokussierung des Geistes, die Stärkung des Willens und die Bitte um Hilfe. Und das kann erstaunlich wirkungsvoll sein.“

Claire Gogerty – Witchcraft für das ganze Jahr

Der Weg der Hexe

Die Bücher und Kartensets geben Anregungen zur Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen und Stärken, inspirieren zur (Rück-)Verbindung mit der Natur und fördern die Entwicklung von Akzeptanz, Respekt und Selbstbewusstsein. Der Umweg über die Hexenkunst scheint mir damals wie heute eine schöne Möglichkeit, junge Menschen an das Thema Selbstfürsorge heranzuführen. Es geht darum, die Werte des eigenen Handelns zu definieren, zu schauen wie man sie im Alltag umsetzen kann und andere Menschen zu finden, um den Weg gemeinsam zu gehen. Magie wird zu einem Mittel, um das eigene Leben zu gestalten und eine Verbindung zur Intuition aufzubauen.

Ganz besonders gefällt mir die Idee, über das Thema Hexenkunst eine Art Rückbesinnung auf das Ursprüngliche zu inspirieren. ‚Das Buch der Schatten‘ wie auch das Kartenset von Claire Gogerty sprechen von Magie als etwas, das schon immer in uns ist und das wir wieder erwecken können.

„Wir alle haben magische Energien in uns. Die Natur gibt diese Energien an jedes lebende Wesen weiter; es ist die Kraft, die das Universum verbindet. Die meisten Menschen nutzen diese Energie nicht. Sie haben die Verbindung zu ihrer Intuition verloren. Wir müssen erst wieder lernen, uns auf diese verschütteten Energien zu konzentrieren.“

Das Buch der Schatten, Maja Sonderbergh

Ganz gleich, ob man diese Formen der achtsamen Einkehr nun Magie, Persönlichkeitsentwicklung, Selbsthilfe, Selbstliebe oder Selbstfürsorge nennen möchte. Für mich ist es eine wunderschöne Art, um dafür empfängliche Menschen dazu zu bewegen, genauer auf ihre Bedürfnisse zu achten – ihre Sinne und damit auch ihre Wahrnehmung zu aktivieren und Achtsamkeit, Naturverbundenheit und Körpergefühl in einer Welt voller Krisen, Ablenkungen und Noise zurück in den Alltag zu holen.

Die Macht der (magischen) Rituale

In allen drei Büchern sind Rituale das Mittel, um Selbstfürsorge im alltäglichen Handeln zu etablieren. Doch was verbirgt sich genau hinter dem breiten Begriff? Lukas Niederberger unterscheidet in seinem Buch Rituale. Dem Tag, dem Jahr, dem Leben Struktur geben drei Formen von Ritualen:
– Alltagsrituale, die den Tagesablauf unterteilen
– zyklische Rituale, die einem wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Kalender folgen
– und Schwellenrituale, die den Übergang zwischen Lebensphasen kennzeichnen.

Lukas Niederberger – Rituale

Indem sie regelmäßig zu wiederkehrenden Anlässen durchgeführt werden, schaffen Rituale Strukturen und Sicherheit. Sie können alltäglichen Handlungen einen Rahmen geben, den Weg für neue Gewohnheiten ebnen und – wenn sie wie die magischen Rituale der Hexen und Heiler*innen in einer langen Tradition stehen – sogar Zugehörigkeit schaffen. Das Begehen der Jahreskreisfeste hilft beispielsweise, die Veränderungen in der Natur wahrzunehmen und sich mit der natürlichen Umgebung zu verbinden.

Selfcare, Selbstoptimierung und die Wellnessindustrie

Bei all den Ideen und Buzzwords gilt es jedoch eines nicht zu vergessen. Selfcare ist ein Trend, mit dem die Wellnessindustrie aktuell Milliardenumsätze generiert. Ob Ratgeberbücher, Online-Kurse oder fragwürdige Luxusprodukte – den meisten Anbieter*innen geht es nicht um gesellschaftliches Wohlbefinden, sondern um Geld.

Der US-amerikanische Konzern Goop – 2008 gegründet von Gwyneth Paltrow wird häufig stellvertretend für diese Form der Selfcare-Bewegung genannt. Mit dem Mindset des oder der Konsument*in gelebt, kann Selbstfürsorge so schnell zum nächsten To-Do im Leben werden und Wellness zum Mittel, um die eigene Produktivität zu steigern.

Anstatt also zu Konsumieren, sich am Außen zu orientieren oder unreflektiert nach gesellschaftlich anerkannten Errungenschaften zu streben, kann Selbstfürsorge ein Weg sein, um sich kennenzulernen, seine Werte in Einklang mit dem eigenen Handeln zu bringen und vielleicht sogar für und in einer Gemeinschaft wirksam zu werden. Ich liebe hier den Ansatz von Fabienne und Larissa Flügge, die ihr Frauennetzwerk The Female Suit nach den Maximen Embrace, Empower, Engage aufgebaut haben. Mitglieder sollen auf diese Weise dazu angeregt werden, Verantwortung für sich und ihr Wohlergeben zu übernehmen, sich im Austausch miteinander zu entwickeln und ihre gemeinsame Stärke anschließend innerhalb der Gesellschaft einzusetzen.

Damals, heute und morgen

Ob in den Kult-Serien der 2000er oder den spirituellen Praxen der Gegenwart – wer von Magie spricht, meint Energie und die folgt bekanntlich unserer Aufmerksamkeit. Bücher oder Kartensets zum Thema Witchcraft haben die Möglichkeit, uns sensibler dafür zu machen, was gerade unsere Aufmerksamkeit braucht. Ist es unser Körper, ist es ein Mensch in unserer Umgebung oder vielleicht die Natur?

Schulen wir diese Sensibilität haben wir die Möglichkeit, nicht nur uns selbst neu auszurichten, sondern auch gemeinschaftlich Veränderungen herbeizuführen. Und warum sollten nicht ein paar ‚magische Rituale‘ ein erster Schritt sein, um genau das zu tun.

Larissa Lenze

Larissa bewegt sich zwischen Menschen, Marken und Medien. Als Kulturwissenschaftlerin und Marketingstrategin beobachtet sie Medien- und Zeitgeschehen und spricht mit Menschen, die es mit besonderen Impulsen bereichern.

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