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Winter

winter ali smith

Nach fast drei Jahren voller Lockdowns und Unsicherheiten komme ich an Weihnachten wieder mit einem Großteil meiner Familie zusammen. Es ist anders. Wir haben uns lange nicht gesehen. Müssen wieder warm werden. Und das, obwohl dieser Winter schon jetzt als einer der wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gilt.

Passend dazu, las ich in zum Ende des Jahres ‚Winter‘, den zweite Teil der Jahreszeiten-Tetralogie von Ali Smith. Der Roman erzählt ebenfalls von einer Familienzusammenkunft an Weihnachten: ein Sohn, seine ausgedachte Freundin, seine Mutter, ihre Schwester – alle vereint in einem britischen Landsitz.

In der Tradition von Dickens’ ‚A Christmas Carol‘ lässt Ali Smith über Geister und Erinnerungen die Gegenwart ihrer Figuren verschwimmen und verwebt sie kunstvoll mit den aktuellen Geschehnissen in Großbritannien. Auf mystisch-märchenhafte Weise überzeichnet sie, was die Dialoge der Familie fortwährend begleitet: die unterschiedlichen Realitäten in denen sie abseits des Weihnachtsfestes leben. Eine Parabel für das, was auch in Deutschland immer sichtbarer wird und mir vor allem im Kreise der Familie von Bedeutung scheint. Denn (Groß-)Eltern, Geschwister, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen sind Menschen, die nicht durch gemeinsame Interessen oder berufliche Schwerpunkte mit uns verbunden sind. Die uns abseits von Filterblasen und Echokammern erreichen und uns zeigen können, dass nicht jede*r lebt, denkt oder handelt, wie wir es tun. Und gerade, wenn Diskussionen manchmal hitzig werden, ist es am Ende hoffentlich Wärme, die uns in Erinnerung bleibt.

„… (es ist), als lebten die Personen in dem Stück in derselben Welt, aber voneinander getrennt, als wäre die Welt jedes einzelnen von den Welten aller anderen separiert worden. Sie müssten aber nur einmal aus sich heraustreten oder einfach hören und sehen, was direkt neben ihren Ohren und Augen geschieht, dann würden sie feststellen, dass sie alle im selben Stück sind, Teil derselben Welt und derselben Geschichte.“

Winter, Ali Smith

Larissa Lenze

Larissa bewegt sich zwischen Menschen, Marken und Medien. Als Kulturwissenschaftlerin und Marketingstrategin beobachtet sie Medien- und Zeitgeschehen und spricht mit Menschen, die es mit besonderen Impulsen bereichern.

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